OGH Urteil zur privaten Unfall­versicherung: Viele Vertrags­klauseln un­zu­lässig

Der Konsumentenschutz der Arbeiterkammer Oberösterreich hat 10 Klauseln der Versicherungsbedingungen der Wiener Städtischen Versicherung vor Gericht gebracht. 9 Klauseln haben der Kontrolle durch den Obersten Gerichtshof (OGH) nicht standgehalten. 

Dabei geht es zum Beispiel um eine Klausel, wonach älteren Konsument:innen nach einem Unfall die Invaliditätsleistung nicht als einmaliger Kapitalbetrag, sondern nur als monatliche Rente ausbezahlt wird. Ebenfalls unzulässig ist eine Klausel, wonach ein bei Arbeitsunfähigkeit nach einem Unfall vereinbartes Taggeld dann nicht geleistet wird, wenn die versicherte Person im Unfallzeitpunkt arbeitslos war. Und unzulässig ist auch eine branchenübliche Klausel, mit der sich die Versicherung nach einem Unfall ein vorzeitiges Kündigungsrecht einräumte. 

Anfragen zur privaten Unfallversicherung sind in der Arbeiterkammer Oberösterreich ein Dauerthema. In vielen Fällen geht es dabei auch um die Frage, ob sich die Versicherung zu Recht auf eine Klausel in den Versicherungsbedingungen berufen kann. Der Konsumentenschutz der Arbeiterkammer Oberösterreich hat daher den Verein für Konsumenteninformation mit einer Unterlassungsklage gegen 10 Klauseln in den Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen der Wiener Städtischen Versicherung AG (AUVB Unfallvorsorge Premium, 20V) beauftragt.

Invaliditäts­leistung: Konsumenten über­rumpelt

So regelt eine Klausel, dass ab Vollendung des 75. Lebensjahres, die nach einem Unfall in der Polizze vereinbarte Invaliditätsleistung nicht mehr als einmaliger Kapitalbetrag, sondern als Rente geleistet wird. 

Konsument:innen rechnen nach einem Unfall aber nicht damit, dass sie eine in der Polizze für dauernde Invalidität konkret vereinbarte Kapitalleistung aufgrund einer Klausel „im Kleingedruckten“ allein aufgrund des Erreichens einer bestimmten Altersgrenze bloß als monatliche Rente erhalten. Mit einer Rentenleistung können Umbauarbeiten in der Wohnung, die durch den Unfall erforderlich sind, nicht finanziert werden. Der Klausel liegt damit ein „Überrumpelungseffekt“ inne. (Klausel 3 des Urteils)

Zecken­biss "unklar" ver­sichert

Unfallversicherungen sehen üblicherweise auch einen zumeist begrenzten Versicherungsschutz für die Folgen eines Zeckenbisses vor. Nach der streitgegenständlichen Klausel sollte eine Leistung nur für Tod oder dauernde Invalidität erbracht werden. 

Unklar blieb jedoch, ob mit dem Begriff „dauernde Invalidität“ eine Beschränkung auf die einmalige Kapitalleistung bei dauernder Invalidität gemeint ist oder ob auch anderen Leistungen wie zum Beispiel eine Unfallrente erbracht werden müssen, bei denen die dauernde Invalidität eine Anspruchsvoraussetzung ist. Die Versicherung darf sich auf diese unklare Leistungsbegrenzung jetzt nicht mehr berufen und muss betroffenen Konsument:innen bei Zeckenbiss alle vereinbarten Leistungen erbringen. (Klausel 5 des Urteils)

Tag­geld auch bei Arbeits­losig­keit

Die Klausel sieht vor, dass bei einer unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit ein Anspruch auf Taggeld trotz Prämienzahlung nicht besteht, wenn die versicherte Person im Unfallzeitpunkt keine Erwerbstätigkeit ausübte. 

Der OGH beurteilt die Bestimmung als gröblich benachteiligend und damit unzulässig. Auch arbeitslose Personen haben Anspruch auf Taggeld, weil die Invalidität auch auf die Arbeitsfähigkeit eines Arbeitslosen Einfluss hat, nämlich auf seine potentielle Chance, wieder ins Berufsleben einzusteigen. Die Klausel verwehrt der/dem im Unfallzeitpunkt nicht erwerbstätigen Versicherungsnehmer:in diesen Anspruch aber selbst dann, wenn sie/er dafür Prämie bezahlt. 
(Klausel 4 des Urteils)

Herzinfarkt oder Schlaganfall in keinem Fall Unfallfolge?

Ebenfalls als rechtswidrig und damit unzulässig beurteilte der OGH eine sogenannte „Folgenklausel“, die einen Herzinfarkt oder Schlaganfall als Unfallfolge kategorisch vom Versicherungsschutz ausschloss. Der OGH führt aus, dass es zwar sein mag, dass die durchschnittlichen Versicherungsnehmer:innen Herzinfarkt und Schlaganfall typischerweise als Krankheitsfolgen werten, nichtsdestotrotz weicht es deutlich von ihren berechtigten Deckungserwartungen ab, wenn für Herzinfarkt und Schlaganfall auch bei ausschließlicher Ursächlichkeit eines Unfallereignisses kein Versicherungsschutz besteht (Klausel 1 des Urteils).

Un­zu­lässiges Kündigungs­recht im Versicherungs­fall

Als unzulässig erkannte der OGH auch eine branchenübliche Kündigungsklausel, wonach die Versicherung den Vertrag nach einem Unfall beenden kann. Das Kündigungsrecht sei schon deshalb gröblich benachteiligend, weil die Versicherung während eines beliebig langen Zeitraums Prämien lukrieren und den Vertrag dann beim ersten – noch so geringen – Versicherungsfall kündigen könne (Klausel 8 des Urteils).

Urteil des OGH, Geschäftszahl 7Ob 148/21x (0,3 MB)

Versicherungs­summen um 25 Pro­zent re­duziert

In einer weiteren Verbandsklage der Bundesarbeitskammer wurde unter anderem noch folgende im Versicherungsantrag enthaltene Klausel vom OLG Wien in 1 R 70/22d rechtskräftig für unzulässig erkannt:

„Ab dem 70. Lebensjahr der versicherten Person reduzieren sich während der Laufzeit des Versicherungsvertrags die Versicherungssummen bei gleichbleibender Prämie um 25 Prozent. Die Umstellung erfolgt mit der auf den Geburtstag folgenden nächsten Hauptfälligkeit."

Das Gericht stellte dazu fest, dass die Klausel  für die Versicherungsnehmerin oder den Versicherungsnehmer nachteilig und überraschend ist und nicht besonders darauf hingewiesen wird, weshalb die Klausel von vornherein nicht Bestandteil des Versicherungsvertrags werde.



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