Unfallversicherung:Klauseln der Wiener Städtischen
Die AK hat 10 Versicherungsklauseln der Wiener Städtische vom OGH prüfen lassen. 9 davon hat das Höchstgericht als unzulässig erkannt.
Da sich Versicherungen oft auf vereinbarte Vertragsbedingungen berufen, ist es der Arbeiterkammer Oberösterreich ein besonderes Anliegen, gegen unfaire Klauseln vorzugehen. Sie hat daher den Verein für Konsumenteninformation (VKI) mit einer Unterlassungsklage gegen 13 Klauseln der Merkur Versicherung AG beauftragt. Der Oberste Gerichtshof hat 12 dieser Klauseln für gesetzwidrig erkannt. Der Großteil davon betrifft die private Unfallversicherung.
Für gesetzwidrig erkannte der OGH eine Klausel, wonach sich die Versicherungssummen in der Unfallversicherung ab dem auf die Vollendung des 70. Lebensjahres folgenden Versicherungsjahr um 30 Prozent reduzieren. Eine willkürliche Altersgrenze in Versicherungsbedingungen einzuziehen, die eine erhebliche Reduktion der Versicherungssumme bewirkt, ist unzulässig. Konsumenten/-innen müssen mit dieser überraschenden und evident nachteiligen Klausel nicht rechnen (Klausel 5 des Urteils).
Die Klausel führte zum Beispiel bei einer 77-jährigen Pensionistin aus Linz zur Kürzung der Invaliditätsleistung nach einem Unfall von 7.664 Euro auf 5.365 Euro.
Betroffene Konsumenten/-innen können die Nachzahlung der Differenz verlangen.
Ebenfalls unzulässig ist laut OGH eine branchenübliche Klausel, die vorsieht, dass bei Unfällen ab Vollendung des 75. Lebensjahres für eine unfallbedingt verbliebene dauernde Invalidität anstelle der Kapitalleistung eine Rente ausbezahlt wird. Die Bestimmung weicht von den Erwartungen des durchschnittlichen Versicherungsnehmers erheblich ab. Dieser rechnet nicht damit, dass von einer in der Polizze konkret vereinbarten Kapitalleistung in den Allgemeinen Bedingungen - allein aufgrund des Erreichens einer bestimmten Altersgrenze - abgegangen wird (Klausel 4 des Urteils).
Diese Klausel führte bei der Pensionistin aus Linz dazu, dass sie die gekürzte Leistung von 5.365 Euro nicht als Kapital sondern als monatliche Rente von 41 Euro erhalten sollte. Der wegen des Unfalls erforderliche Wohnungsumbau wäre damit nicht möglich gewesen.
Betroffene Konsumenten/-innen können jetzt eine Kapitalleistung statt Rente verlangen.
Das Gesetz sieht nach einem Schadensfall nur in wenigen Versicherungssparten ein Kündigungsrecht für beide Vertragsteile vor, beispielsweise in der Kfz-Haftpflichtversicherung. Die Versicherer haben dieses Kündigungsrecht auch auf andere Versicherungssparten, wie zum Beispiel auf die Unfallversicherung und die Rechtsschutzversicherung ausgedehnt.
In der privaten Unfallversicherung ist ein Kündigungsrecht der Versicherung aber aus Sicht der Konsumentenschützer höchst problematisch, weil es für Versicherte schwierig sein kann, nach einer Kündigung wieder einen Versicherungsschutz - zumindest zu vergleichbaren Konditionen - zu erlangen. Der OGH beurteilt die branchenübliche Kündigungsklausel schon deshalb als gröblich benachteiligend, da sie dem Versicherer eine völlig unkonkrete Kündigungsmöglichkeit beim ersten - noch so kleinen - Versicherungsfall einräumt (Klausel 8 des Urteils).
Auch in der Rechtsschutzversicherung wurde eine Klausel zur Schadensfallkündigung als unzulässig beurteilt (Klausel 13 des Urteils).
Versicherungsverträge sehen oftmals eine Laufzeit von 10 Jahren vor. Allerdings räumt das Gesetz Konsumenten ab dem 3. Jahr ein jährliches Kündigungsrecht ein. Die Versicherung beanspruchte in einer weiteren Klausel dieses Kündigungsrecht auch für sich. Das ist, so der OGH, aber nicht zulässig (Klausel 10 des Urteils).
Auf diese und sinngleiche Kündigungsklauseln darf sich die Versicherung nicht mehr berufen um ein Vertragsverhältnis vorzeitig aufzukündigen.
Der OGH hat bereits seit dem Jahr 2010 mehrere Dauerrabattklauseln aufgehoben. Das Höchstgericht begründete dies damit, dass der Rückforderungsbetrag mit längerer tatsächlicher Laufzeit streng degressiv sinken müsse.
Die Versicherer haben daraufhin ihre Klauseln geändert.
Auch in gegenständlicher Klausel zur Laufzeitbonus Nachforderung entwickeln sich die vom Versicherer rückforderbaren Beträge nicht streng degressiv, da der Prozentsatz der Rückzahlungsverpflichtung für die ersten 3 Jahre unverändert 70 Prozent beträgt. Dies führt dazu, dass bei einer Vertragsauflösung nach 1 beziehungsweise 2 vollen Versicherungsjahren der Versicherungsnehmer mehr zurückzahlen muss, als er an Rabatt erhalten hat. Der OGH beurteilt diese branchenübliche Klausel daher als gröblich benachteiligend (Klausel 1 des Urteils).
Betroffene Versicherungsnehmer/-innen können einen aufgrund dieser oder sinngleicher Klauseln bezahlten Laufzeitbonus/Dauerrabatt jetzt zurückfordern. Wir haben für Sie dazu einen Musterbrief erstellt.
Als intransparent hat der OGH 2 Klauseln erkannt, die Obliegenheiten des Versicherungsnehmers zur Auskunftserteilung nach einem Unfall regeln. Die Klauseln verweisen auf eine Gesetzesbestimmung, die erst im Anhang zu den Versicherungsbedingungen abgedruckt ist.
An der Verständlichkeit einer Klausel fehlt es nämlich auch dann, wenn zusammenhängende Bestimmungen und ihre nachteiligen Folgen deshalb nicht erkennbar sind, weil sie sich an unterschiedlichen Stellen des Bedingungswerks befinden (Klauseln 6 und 7 des Urteils).
Demgegenüber als zulässig erkannte der OGH die Klausel, wonach ein Anspruch auf Leistung für dauernde Invalidität innerhalb von 15 Monaten vom Unfalltag an bei der Versicherung unter Vorlage eines ärztlichen Befundberichtes geltend gemacht werden, aus dem die Möglichkeit einer auf Lebenszeit dauernden Invalidität hervorgeht (Klausel 3 des Urteils).
Auf die Einhaltung dieser Ausschlussfrist sollten Versicherungsnehmer/-innen daher besonders achten.
Urteil im Volltext (OGH vom 25.11.2020, 7 Ob156/20x)Urteil im Volltext
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