Kranken­haus-Personal: Berechnungs­modelle decken Arbeits­bedarf nicht ab

Die gesetzliche Vorgabe (§ 19 Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetz - KAKuG) sieht einen sehr vagen Rahmen für die Personalberechnung im Krankenhaus vor. Die in der Praxis eingesetzten Modelle, wie zum Beispiel die Pflegepersonalregelung (PPR) stammen Großteils aus den 1990er-Jahren und entsprechen schon lange nicht mehr den heutigen Anforderungen.

Personal­schlüssel ver­altet

Eine immer kürzer werdende Verweildauer, neue Pflege- und Therapiekonzepte, die massive Zunahme von Demenzkranken, ein stärkerer Fokus auf Anleitung und Beratung sowie Angehörigenarbeit, die Veränderung der Beschäftigtenstruktur in den Krankenhäusern, eine enorme Zunahme des Dokumentationsaufwands sowie eine unzureichende Beachtung von Krankenständen oder Weiterbildungen bringen die Beschäftigten an die Grenzen der Belastbarkeit - und darüber hinaus. 

An 18 oberösterreichischen Krankenhaus-Standorten arbeiten neben Ärztinnen und Ärzten etwa 25.000 Beschäftigte, davon rund 16.000 Menschen in der Pflege, als Medizinisch-Technische Dienste, Hebammen, Medizinische Assistenzberufe, Abteilungshilfen, Sozialarbeiter:innen, etc.

Massive Über­lastung und starker Wunsch nach Branchen­wechsel

Der österreichische Arbeitsklimaindex zeigt, dass 26,4 Prozent der Pflege- und medizinischen Beschäftigten im Krankenhaus ihre Arbeit als sehr stark psychisch belastend und aufreibend empfinden. 

Mehr als die Hälfte spricht von einer starken Belastung durch ihre Beschäftigung. Nur etwa die Hälfte der Beschäftigten hält es für möglich, ihre Tätigkeit bis zur Pensionierung ausführen zu können. Zum Vergleich: In anderen Berufsbranchen sprechen 8,7 Prozent der Arbeitnehmer:innen von einer starken psychischen Belastung am Arbeitsplatz. 

Dazu kommt, dass rund 30 Prozent der Arbeitnehmer:innen in Pflege- und medizinischen Berufsfeldern mindestens ein Mal in der Woche daran denken, den Pflegeberuf zu verlassen, über 10 Prozent spielen mit diesem Gedanken sogar mehrmals täglich. Auch Probleme wie Schlafstörungen, an denen 2 Drittel der Pflegekräfte leiden, Rückenschmerzen und Angstzustände scheinen mit der Pflegetätigkeit einherzugehen. 

Diese Zahlen machen deutlich, wie hoch der Grad der Überlastung in den Krankenhäusern ist und welche Auswirkungen dies auf die Arbeitnehmer:innen hat.

Höhere An­forderungen bei gleich­bleibendem Personal­schlüssel

Sicher ist: die Arbeitswelt Krankenhaus hat sich verändert. Dabei sind die Anforderungen und Aufgaben massiv angestiegen. Befragte aller Berufsgruppen und Kompetenzebenen schildern, dass die Aufgaben in den letzten Jahren stark zugenommen haben. 

Nicht nur, dass sich das pflegerische, therapeutische und diagnostische Leistungsspektrum weiterentwickelt hat und dass die Dokumentations- und Qualitätsmanagementaufgaben gestiegen sind. Viele Tätigkeiten wurden innerhalb der Berufsgruppen verschoben - oft ohne Berücksichtigung in den Dienstpostenplänen.

Patientinnen und Patienten mit anderen Bedürfnissen

Die Verweildauer der Patient:innen hat sich stark verändert: Tagesklinische Eingriffe nehmen zu. Das hat Folgen für die Pflege und Betreuung im Krankenhaus. Außerdem werden die Patient:innen älter und multimorbider, häufig auch verbunden mit demenziellen Begleiterkrankungen. Patient:innen und Angehörige werden zudem aufgeklärter und fordernder. Mehr Zeit für Anleitung, Beratung und intensive Gespräche ist jedoch kaum vorhanden, schildern die Beschäftigten.

Aus­falls­zeiten häufig deutlich höher als ge­plant

Weil es keine verbindlichen rechtlichen Bestimmungen gibt, ist die übliche Praxis, dass bei der Dienstpostenplanung 20 Prozent an Ausfallszeiten berücksichtigt werden. Ausfallszeiten sind Arbeitszeiten, die Beschäftigte nicht direkt bei den Patient:innen verbringen, wie etwa Fort- und Weiterbildungen, Projekte, Urlaub, Krankenstand, Kuren und Pflegefreistellung. Die Praxis zeigt, diese 20 Prozent sind in der Praxis schon lange nicht mehr ausreichend.

Die AK OÖ fordert mehr Personal und leistungs­ge­rechte Personal­berechnungs-Modelle

Es braucht Personalberechnungsmodelle für die oberösterreichischen Krankenhäuser, die es Beschäftigten ermöglichen, gesund das Regelpensionsalter zu erreichen. Gleichzeitig muss auch in Zukunft eine hohe Versorgungsqualität für Patient:innen in Oberösterreichs Krankenhäusern erhalten bleiben.

Eine AK-Studie macht deutlich: Es braucht so rasch wie möglich eine Personalaufstockung um 20 Prozent, verteilt über alle Berufsgruppen. Das sind rund 2.500 Vollzeitäquivalente. 

Damit soll garantiert sein, dass

  • Ausfallszeiten in den Personalberechnungen verbindlich berücksichtigt werden können;

  • Schwangerschaften ab dem Tag der Meldung im Dienstpostenplan entsprechend berücksichtigt werden können und sofortiger Ersatz ermöglicht wird;

  • verbindliche Regelungen für die Besetzung der Nacht- und Wochenenddienste inklusive Qualifikationsniveau geschaffen werden und diese nicht zulasten der Tagesbesetzung gehen;

  • zusätzliche Zeitressourcen für alle Bereiche geschaffen werden, in denen vermehrt Patient:innen mit Demenz betreut werden;

  • Unterstützungsberufe zur Entlastung der Gesundheitsberufe wie Abteilungshilfen, Stationssekretariate, etc. eingesetzt werden;

  • ein verstärkter Fokus auch auf die Dienstpostenpläne und Arbeitsbedingungen aller weiteren Berufsgruppen im Krankenhaus (wie Küche, Reinigung, Verwaltung, Wäscherei, Haustechnik, etc.) gelegt wird;

  • Einsichtsrechte und Einbindung für Betriebsrät:innen und Personalvertreter:innen in alle Dienstpostenberechnungen geboten werden;

  • Entlastung der Beschäftigten im Gesundheitsbereich durch eine Arbeitszeitverkürzung auf 35 Wochenstunden mit vollem Lohnausgleich und Aufstockung der Dienstposten;

  • Bis 2030 eine Aufstockung des Pflegepersonals in OÖ um 9.550 Pfleger:innen;

  • Eine echte Ausbildungsstrategie für die oberösterreichischen Krankenhäuser inklusive arbeitsmarktpolitischer Initiativen für Ein-, Um- und Wiedereinsteiger:innen. Das Arbeitsmarktservice und das Land Oberösterreich müssen hier zusätzliche Mittel bereitstellen, um die Pflegeausbildung leistbar und attraktiver zu machen;

  • Mehr Tempo in der Pflegereform, weitere Maßnahmen, um Beschäftigte in der Pflege und allen weiteren Gesundheitsbereichen zu entlasten, eine Weiterentwicklung der Ausbildungsförderungen für Pflegeberufe sowie einen leichteren Zugang zur Schwerarbeitspension für Pflegekräfte und Beschäftigte in weiteren Gesundheitsberufen;

Langfristig unbedingt notwendige Veränderungen

  • Es braucht eine arbeitswissenschaftliche Bewertung der Tätigkeit aller Berufsgruppen im Krankenhaus, die sich in transparenten und gesetzlich verbindlichen Personalbedarfsberechnungen abbildet.

  • Als Garantie für eine zukunftsorientierte Versorgungs- und Arbeitsqualität in Oberösterreichs Krankenhäusern muss die Landesregierung sich klar zur öffentlichen Finanzierung der Gesundheitsleistungen bekennen und die notwendigen Mittel zur Verfügung stellen.

  • Die Einführung eines Malus-Systems bei Nichteinhaltung von Pflegequalitätskriterien beziehungsweise Dienstpostenplänen im LKF-System. 

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