Kündigungsschutz

Durch den Kündigungsschutz sind Arbeitnehmer:innen mit Behinderung besonders geschützt. Nach dem Behinderteneinstellungsgesetz gilt der besondere Kündigungsschutz für begünstigte behinderte Arbeitnehmer:innen - das sind Menschen, deren Grad der Behinderung von mindestens 50 Prozent durch Bescheid des Sozialministeriumservice festgestellt wurde. Er soll verhindern, dass begünstigte behinderte Arbeitnehmer:innen in sozial ungerechtfertigter Weise gekündigt werden.

Besonderer Kündigungsschutz

Erhöhter Kündigungsschutz bedeutet, dass der Arbeitgeber vor Ausspruch einer Kündigung die Zustimmung des Behindertenausschusses einholen muss. Dieser ist bei der jeweiligen Landesstelle des Sozialministeriumservice eingerichtet.

Eine Kündigung ohne vorherige Zustimmung ist rechtsunwirksam, wenn der Behindertenausschuss nicht in besonderen Ausnahmefällen nachträglich die Zustimmung erteilt.

Wusste der Arbeitgeber zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruches weder vom Antrag des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin auf Zuerkennung der Eigenschaft des/der begünstigten Behinderten noch von einem entsprechenden Bescheid des Bundessozialamts (BSA), obliegt es dem betroffenen Arbeitnehmer/der betroffenen Arbeitnehmerin, dem Arbeitgeber unter Hinweis auf seine/ihre Eigenschaft als begünstigt Behinderte:r die Unwirksamkeit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses anzuzeigen.

Er/Sie kann wählen ob er/sie die rechtsunwirksame Kündigung gegen sich gelten lassen möchte und kündigungsabhängige Ansprüche verlangen oder ob er/sie weiterarbeiten möchte. Allerdings muss er/sie sich zeitnah zur Kündigung beziehungsweise Entlassung entscheiden. Er/sie muss seine/ihre Leistungsbereitschaft bekunden.

ACHTUNG

Ein Ausnahmefall, der die nachträgliche Zustimmung rechtfertigt, ist gegeben, wenn dem Arbeitgeber zum Zeitpunkt des Ausspruches der Kündigung nicht bekannt war, dass der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin dem Personenkreis der begünstigten behinderten Menschen angehört. 

Bei nachträglicher Zustimmung zur Kündigung wird diese rückwirkend mit dem Zeitpunkt der Kündigung wirksam.

Im Kündigungsverfahren muss der Behinderten­ausschuss prüfen,

  • ob ein Kündigungsgrund vorliegt,
  • ob eine Weiterbeschäftigung zumutbar wäre und
  • ob das Diskriminierungsverbot eingehalten wurde.

Gegen Entscheidungen des Behindertenausschusses kann eine Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht eingebracht werden.

Die Zustimmung zur Kündigung wird in den meisten Fällen erteilt werden, wenn

  • der Tätigkeitsbereich des begünstigten behinderten Arbeitnehmers/der begünstigten behinderten Arbeitnehmerin entfällt und der Arbeitgeber nachweist, dass der betroffene Arbeitnehmer/die betroffene Arbeitnehmerin trotz seiner/ihrer Zustimmung an einem anderen geeigneten Arbeitsplatz nicht ohne erheblichen Schaden weiterbeschäftigt werden kann.

  • der begünstigte behinderte Arbeitnehmer/die begünstigte behinderte Arbeitnehmerin unfähig wird, die im Arbeitsvertrag vereinbarte Arbeit zu leisten, sofern in absehbarer Zeit eine Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit nicht zu erwarten ist und der Arbeitgeber nachweist, dass die betroffene Arbeitskraft trotz ihrer Zustimmung an einem anderen geeigneten Arbeitsplatz nicht ohne erheblichen Schaden weiterbeschäftigt werden kann.

  • der begünstigte behinderte Arbeitnehmer/die begünstigte behinderte Arbeitnehmerin beharrlich die arbeitsbezogenen Pflichten verletzt und der Weiterbeschäftigung Gründe der Arbeitsdisziplin entgegenstehen.

Kündigungsfrist

Die Kündigungsfrist für begünstigte behinderte Arbeitnehmer:innen beträgt mindestens 4 Wochen.

Wann gilt der besondere Kündigungsschutz?

Der besondere Kündigungsschutz gilt erst nach einer gewissen Dauer des Arbeitsverhältnisses und ist auch vom Datum des Abschlusses abhängig:

Arbeitsverhältnisse, die bis zum 31.12.2010 abgeschlossen wurden

In diesem Fall trat der Kündigungsschutz für begünstigte behinderte Arbeitnehmer:innen nach 6 Monaten ab Beginn des Arbeitsverhältnisses ein. 

Beispiel

Ein Arbeitnehmer ist seit Juli 2008 in einem Unternehmen beschäftigt. Mit November 2018 wird (nachdem er einen entsprechenden Antrag beim Sozialministeriumservice eingebracht hat) mit Bescheid die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten behinderten Personen festgestellt. Da das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers schon länger als 6 Monate gedauert hat, ist der Kündigungsschutz bereits wirksam.

Arbeitsverhältnisse, die ab dem 1.1.2011 abgeschlossen wurden

Hier wird der Kündigungsschutz für Menschen, die den Begünstigtenstatus bei Begründung des Arbeitsverhältnisses bereits haben, erst nach 4 Jahren ab Beginn des Arbeitsverhältnisses wirksam.

Anderes gilt für Menschen, die den Begünstigtenstatus bei Begründung des Arbeitsverhältnisses noch nicht haben, ihn jedoch innerhalb des 4-Jahreszeitraumes feststellen lassen: Hier wird der Kündigungsschutz wie bisher bereits nach dem Ablauf von 6 Monaten (ab Beginn des Arbeitsverhältnisses) wirksam. Dabei macht es keinen Unterschied, ob die Behinderung bei Aufnahme des Arbeitsverhältnisses bereits bestanden hat oder erst nachträglich eingetreten ist.

Eine Ausnahme besteht, wenn vor Ablauf des dritten Monats, der dem Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung über den Behindertenpass folgt, der Antrag auf Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigt Behinderten gestellt wird und genau in dieser Zeit, also nach Erhalt des Passes aber vor Antragstellung das neue Arbeitsverhältnis begründet wird, dann gilt trotzdem die Wartefrist für den Kündigungsschutz von 4 Jahren, obwohl das Arbeitsverhältnis vor Antragstellung auf Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigt Behinderten gestellt wurde.

Begünstigtenstatus aufgrund eines Arbeitsunfalles

Wenn jemand auf Grund eines Arbeitsunfalls den Begünstigtenstatus erhält, dann tritt der besondere Kündigungsschutz unabhängig von der Dauer des Arbeitsverhältnisses sofort ein.  

Wann gilt der besondere Kündigungsschutz nicht?

Der besondere Kündigungsschutz gilt nicht:

  • bei einvernehmlicher Auflösung des Arbeitsverhältnisses
  • bei Beendigung eines befristeten Arbeitsverhältnisses durch Zeitablauf
  • bei berechtigter fristloser Entlassung

Ausnahmen

Bei begünstigten behinderten Arbeitnehmer:innen, die Mitglieder des Betriebsrates, der Personalvertretung oder Jugendvertrauensrates sind oder die als Behindertenvertrauensperson (Stellvertreter:innen) tätig sind, gelten die Kündigungsschutzbestimmungen des Arbeitsverfassungsgesetzes.

Auflösung des Arbeitsverhältnisses

Kündigung durch den Arbeitgeber

Auch das Arbeitsverhältnis mit einem begünstigten behinderten Arbeitnehmer beziehungsweise einer begünstigten behinderten Arbeitnehmerin kann aufgelöst werden. Eine Kündigung nach dem 6. Monat beziehungsweise 4. Jahr der Beschäftigung ist dann wirksam, wenn der Behindertenausschuss der beabsichtigten Kündigung zustimmt.

Vorzeitige Auflösung

Das Arbeitsverhältnis kann bei Vorliegen eines wichtigen Grundes auch vorzeitig, das heißt ohne Einhaltung von Fristen und Terminen, durch einseitige Erklärung (Entlassung, Austritt) aufgelöst werden.

Liegt jedoch kein wichtiger Grund vor, wäre eine vom Arbeitgeber ausgesprochene Entlassung unberechtigt. Diese ist ungültig und der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin kann zwischen dem Weiterbestehen des Arbeitsverhältnisses oder der Geltendmachung von Schadenersatz wählen. Eine unberechtigte Entlassung kann nur beim Arbeits- und Sozialgericht angefochten werden.

Vorzeitiger Austritt durch den Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin

Ein vorzeitiger Austritt durch den Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin ist möglich, wenn wichtige Gründe vorliegen, die eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar machen.

ACHTUNG

Ein vorzeitiger Austritt sollte niemals voreilig und immer erst nach Rücksprache mit der Arbeiterkammer oder der zuständigen Fachgewerkschaft gewählt werden.

Einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses

Eine einvernehmliche Lösung erfolgt freiwillig auf Grund einer Vereinbarung zwischen Arbeitnehmer:in und Arbeitgeber, am besten in schriftlicher Form.

ACHTUNG

Bevor Sie eine einvernehmliche Lösung unterschreiben sollten Sie sich von der Arbeiterkammer oder Fachgewerkschaft beraten lassen.

Gebärdensprache

Die Gebärdensprachvideos des ServiceCenters ÖGS.barrierefrei, informieren gehörlose und hörbeeinträchtigte Arbeitnehmer:innen über ihre Rechte in der Arbeitswelt.

Hier geht's zu den Videos:

Kontakt

Kontakt

AK Rechtsberatung
Volksgartenstraße 40
4020 Linz
TEL: +43 50 6906 1
Anfrage ...

Das könnte Sie auch interessieren

Rollstuhl

Begünstigte behinderte Menschen

Der "Begünstigten­status" bringt behinderten Arbeit­nehmer:innen Vorteile. Erfahren Sie, wie Sie den Status erhalten und was er Ihnen bringt!

Frau sitzt im Rollstuhl

Behinderten­vertrauens­person

Eine Behinderten­vertrauens­person soll im Betrieb die Interessen der Arbeit­nehmer:innen mit Behinderung vertreten. Was sind Aufgaben und Rechte?

Beschäftigungspflicht

Beschäftigungs­pflicht

Unternehmen ab 25 Mitarbeiter:innen sind verpflichtet, behinderte Arbeitnehmer:innen einzustellen. Erfüllen sie ihre Pflicht nicht, müssen sie zahlen.

  • © 2024 AK Oberösterreich | Volksgartenstrasse 40 4020 Linz, +43 50 6906 0

  • Datenschutz
  • Impressum