Nein zu Gewalt im Gesundheits- und Sozialbereich

Gewalt gegenüber Beschäftigten in Gesundheits- und Sozialeinrichtungen war lange Zeit ein Tabu-Thema. Erst langsam gibt es eine Diskussion darüber, dass aggressive Handlungen, wie verbale Übergriffe, Drohungen oder gar körperliche Gewalt oft zum Berufsalltag der Beschäftigten in Gesundheits- und Sozialberufen gehören. Das darf nicht als „Berufsrisiko“ abgetan werden, mit dem jede/r selbst fertig werden muss. Gewaltprävention oder die Aufarbeitung von Gewaltvorfällen sollten eine Selbstverständlichkeit in den Betrieben sein.

Konkrete Maßnahmen

  • Ein Konzept zum Umgang mit Aggressionen entwickeln und einführen
  • Die nötigen Rahmenbedingungen, etwa durch Bereitstellung von ausreichend Personal bieten
  • Erweiterung der Kompetenzen der Beschäftigten
  • Entwicklung von Nachsorge und Entlastungsangeboten 

Rechtliche Grundlagen

Fürsorgepflicht
Die Arbeitgeberin/Der Arbeitgeber muss für den Schutz der Arbeitnehmer/-innen sorgen.

Arbeitsrechtlich gilt hier die sogenannte Fürsorgepflicht, die in Österreich im ABGB (§ 1157) geregelt ist. Diese verpflichtet Arbeitgeber/-innen dazu, die Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass das Leben und die Gesundheit der Arbeitnehmer/-innen geschützt werden.

Arbeitnehmerschutzgesetz
Zusätzlich zur Fürsorgepflicht kommt auch noch das Arbeitnehmerschutzgesetz zum Tragen: Dieses sieht eine Verpflichtung der Arbeitgeberin/ des Arbeitgebers vor, einen sicheren und gesunden Arbeitsplatz zu gewährleisten.


Was kann der Betriebsrat tun?

Laut Arbeitsverfassungsgesetz kann der Betriebsrat der Arbeitgeberin /dem Arbeitgeber Vorschläge machen, wie Gefahren im Berufsalltag verhindert bzw. vermindert werden können. Die Arbeitgeberin/ der Arbeitgeber ist verpflichtet, von sich aus diese Gefahren zu überprüfen und den Betriebsrat zu beteiligen, um Maßnahmen dagegen zu setzen. Dies betrifft auch das Thema Gewalt und Aggression am Arbeitsplatz. Um Konkretes zum Schutz der Beschäftigten umzusetzen, besteht auch die Möglichkeit, eine Betriebsvereinbarung abzuschließen.

Als Leitfaden stellt die AK eine Musterbetriebsvereinbarung zur Verfügung, die in persönlicher Abstimmung mit der AK auf den eigenen Betrieb angepasst werden sollte.

Musterbetriebsvereinbarung downloaden (0,1 MB)

Wie entsteht Gewalt – und wie wirkt sie sich aus?

Die Ursachen, die zu aggressivem Verhalten führen können, sind vielfältig. Meist lässt sich nicht ein einzelner Faktor als Ursache festmachen. Häufig treten krankheitsbedingte, psychologische, soziale oder organisatorische Faktoren gemeinsam auf. Situationen, in denen Aggression oder Gewalt im Gesundheits- und Sozialbereich auftreten können, sind:

  • Wenn Pflege- bzw. Therapiehandlungen es erfordern, die gewohnte Körperdistanz aufzuheben.
  • Wenn kognitive Einschränkungen, psychologische Erkrankungen bzw. demenzbedingte Beeinträchtigungen vorliegen.
  • Wenn Bewohner/-innen, Patient/-innen usw. Konflikte untereinander austragen
  • Wenn Überforderungen oder Frustrationen vorliegen (z.B. körperlicher Funktionsverlust, mangelnde Zuwendung, Wartezeiten, Eifersucht).
  • Wenn Belastungen wie Schmerz, Unverstanden sein, erlebte Missachtung, Angst, Verzweiflung usw. nicht anders kommuniziert werden können.
  • Wenn kommunikative Missverständnisse passieren oder Sprachbarrieren vorliegen.
  • Wenn bewusst gesetzte Grenzüberschreitungen passieren, rassistisch oder sexistisch motivierte Übergriffe stattfinden oder den Beschäftigten mangelnder Respekt entgegengebracht wird.
  • Wenn zu wenig Zeit ist, um pflegerische und therapeutische Handlungen oder Betreuung und Beziehungspflege in Ruhe und mit Geduld durchführen zu können.

Was belastet Betroffene?

Beschäftigte im Gesundheits- und Sozialbereich sind es gewöhnt, bei ihrer Arbeit ein hohes Maß an Verantwortung zu tragen und mit hoher Professionalität, Empathie und persönlichem Engagement herausfordernde Situationen auszugleichen. Somit sehen sie auch herausfordernde und aggressive Verhaltensweisen oftmals als „Berufsrisiko“. Gewalt ist allerdings kein „Berufsrisiko“. Deshalb muss es auch nicht stillschweigend hingenommen werden und niemand muss damit individuell fertig werden.

  • Akute Gewaltvorfälle setzen etablierte Rollen und Verhaltensweisen außer Kraft. In solchen Situationen können Beschäftigte von einem breiten Spektrum an Empfindungen wie Schmerz, Ratlosigkeit, Ärger, Wut, Enttäuschung, Hilflosigkeit oder Angst überwältigt werden. Die Erfahrung, dass die Situation außer Kontrolle gerät, ist dabei zentral.
  • Es muss nicht zu einer unmittelbaren physischen Gewalt kommen. Auch Gewaltandrohung und verbale Aggressionen können psychische Folgen haben, die eine enorme Stressbelastung darstellen und mitunter langfristige Folgen nach sich ziehen können.
  • Besonders belastend sind Gewalterfahrungen für die Beschäftigten, wenn sie mit der Bewältigung dieser allein sind bzw. allein gelassen werden. Die Folgen können von Krankenständen über Burn-Out bis hin zum Berufsausstieg reichen. 

Ein gewaltminderndes Arbeitsumfeld schaffen

Zeitgemäße Personalausstattung

Grafik: zeitgemäße Personalausstattung


Zu wenig Personal bedeutet zu wenig Zeit, um ein ruhiges Umfeld zu schaffen. Das kann wiederum zu Situationen führen, in denen Gewaltvorfälle schlechter abgefangen werden können. Die Möglichkeit schwierige Situationen im Team zu meistern, würde Entlastung und Sicherheit bieten. Die Praxis zeigt jedoch, dass obwohl die Herausforderungen steigen, die personellen Ressourcen kaum angepasst werden. Die Arbeiterkammer Oberösterreich hat sich intensiv mit dem Thema Personalausstattung in Gesundheits- und Sozialeinrichtungen beschäftigt:

Wissen bereitstellen

Um ein gewaltminimierendes Arbeitsumfeld zu schaffen, muss neben ausreichenden Personalressourcen vor allem auch Wissen bereitgestellt werden. Die Erweiterung der Kompetenzen der Mitarbeiter/-innen zu diesem Thema soll gestärkt werden. Durch gezielte Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen, aber auch im Rahmen von Teambesprechungen usw. soll

  • Wissen über Verhaltens- und Reaktionsweisen im Kontext verschiedener Krankheitsbilder,
  • Wissen über Fertigkeiten und Fähigkeiten, um aggressives Verhalten seitens der betreuten Personen nicht entstehen zu lassen, bzw. deeskalieren zu können,
  • Gezielte Enttabuisierung und Thematisierung sowie
  • Informationen über betriebliche Abläufe sowie Entlastungsmöglichkeiten

angeboten werden. Auch neuen Kollegen/-innen soll dieses Wissen zugänglich gemacht werden. Ein Handbuch der AKOÖ bietet praktische Tipps und Werkzeuge, mit denen die Wissensweitergabe in Gesundheits- uns Sozialeinrichtungen gelingt:

Auch in der Online-Bibliothek der AK Oberösterreich können Sie sich zum Thema Gesundheits- und Sozialberufe allgemein sowie Gewalt in der Pflege im Speziellen informieren.

GEWALT CHECK FÜR PFLEGEKRÄFTE

Gewalt gegen Beschäftigte in Gesundheits- und Sozialberufen: Sind auch Sie betroffen?

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