Fahr­zeit ist Arbeits­zeit - zumindest für be­stimmte Berufs­gruppen

Wie ist die Fahrzeit vom Wohnort zum ersten Kunden/zur ersten Kundin am Morgen und die vom letzten Kunden/von der letzten Kundin nach Hause bei Arbeitsende zu bewerten? Eine Frage, die sich für Kundendiensttechniker:innen, aber auch Handwerker:innen oder mobile Pflegedienste stellt.

Klar­heit für Be­schäftigte und Arbeit­geber

Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat entschieden: 

Die Zeit, die ein Mitarbeiter/eine Mitarbeiterin am Morgen vom Wohnort zum ersten Kunden/zur ersten Kundin und zu Arbeitsende vom letzten Kunden/von der letzten Kundin nach Hause braucht, ist als Arbeitszeit zu werten.  

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat bereits vor Jahren entschieden, dass für Arbeitnehmer:innen, die keinen festen oder gewöhnlichen Arbeitsort haben, die Fahrzeit, die diese Arbeitnehmer:innen für die täglichen Fahrten zwischen ihrem Wohnort und dem Standort des ersten und des letzten von ihrem Arbeitgeber bestimmten Kunden aufwenden, „Arbeitszeit“ darstellt (im Sinne des Art 2 Nr 1 RL 2003/88). (RS Tyco C-266/14)

Kollektiv­vertrag ist an­zu­wenden

In einem konkreten Fall folgte der Oberste Gerichtshof im Jahr 2018 der Rechtssicht des EuGH. [OGH 9 ObA 8/18v vom 24.7.2018]

Im zugrunde liegenden Rechtsfall beschäftigt der Arbeitgeber österreichweit unter anderem rund 190 im Außendienst tätige Kundendiensttechniker:innen. Auf deren Arbeitsverhältnisse ist der Kollektivvertrag für Angestellte des Metallgewerbes anzuwenden.

Hauptaufgabengebiet der Kundendiensttechniker:innen ist die Inbetriebnahme, Wartung und Reparatur von Heizgeräten bei Kund:innen. Sie verrichten die ihnen übertragenen Aufgaben in den ihnen jeweils zugewiesenen Einsatzgebieten und fahren täglich von ihrem Wohnort aus mit einem vom Arbeitgeber überlassenen Firmenfahrzeug, das die erforderlichen Arbeitsmaterialien und Werkzeuge enthält, zu den Kund:innen und vom letzten Kunden/von der letzten Kundin wieder zurück zu ihrem Wohnort.  

Die Bestückung der von den Kundendiensttechnikern verwendeten Firmenfahrzeuge mit Arbeitsmaterial und Ersatzteilen erfolgt jeweils in der Nacht durch Kooperationspartner des Arbeitgebers, denen der Standort der Firmenfahrzeuge während der Nacht bekannt ist, die die regelmäßig im unmittelbaren Umfeld des Wohnortes der Kundendiensttechniker abgestellten Fahrzeuge mit einem Zweitschlüssel öffnen können und die erforderlichen Materialien und Ersatzteile einladen.

Den Kundendiensttechnikern werden die am jeweiligen Arbeitstag zu erledigenden Termine bei Kunden in der Früh vor Beginn des Arbeitseinsatzes von der Beklagten elektronisch bereitgestellt.

Die Zeit der Anfahrt der Kundendiensttechniker zum ersten Kunden sowie die Zeit der Rückfahrt vom letzten Kunden zum Wohnort des Kundendiensttechnikers werden miteinander verglichen, die jeweils kürzere Wegzeit wird zwar nicht als Arbeitszeit gewertet, dennoch aber als solche bis auf einen „Selbstbehalt“ von 30 Minuten vergütet. [§ 2 Abs 1 AZG] 

Betriebs­rat klagte

Klagsgegenstand für den Betriebsrat war daher

  • einerseits die Wertung dieser Fahrzeit als Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes und 

  • andererseits die Bezahlung der 30 Minuten/Tag, die der Arbeitgeber nicht bezahlte. 

Hand­werk und Pflege­dienst auch be­troffen

Es ist daher nicht nur bei den hier betroffenen Kundendiensttechnikern die Fahrzeit als Arbeitszeit zu werten, sondern auch in allen anderen vergleichbaren Fällen, in denen Arbeitnehmer:innen Dienstleistungen bei Kund:innen erbringen.

Dies ist etwa im Fall von Handwerker:innen, die direkt von zu Hause zu Kund:innen fahren, zutreffend wie auch bei mobilen Pflegediensten, die von zu Hause zu den zu Pflegenden fahren. 

Das entscheidende Kriterium ist, dass diese Arbeitnehmer:innen im Auftrag ihres Arbeitgebers tätig sind, sodass diese Tätigkeit als Arbeitszeit zu werten und zu bezahlen ist.

Die Zeit, die ein Mitarbeiter/eine Mitarbeiterin am Morgen vom Wohnort zum ersten Kunden und zu Arbeitsende vom letzten Kunden nach Hause braucht, ist als Arbeitszeit zu werten. 

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