Psychische Gesundheit von Lehrlingen
Die psychische Gesundheit von Lehrlingen ist in den vergangenen Jahren zu einem zentralen Thema in der Arbeitswelt geworden. Besonders seit der COVID-19-Pandemie berichten viele Lehrlinge über zunehmende psychische Belastungen, die sich sowohl im beruflichen Alltag als auch in den Krankenstandszahlen widerspiegeln. Die Situation hat sich zwar im Vergleich zur akuten Krisenzeit leicht entspannt, liegt aber weiterhin deutlich über dem Vorkrisenniveau. Für Arbeitnehmer:innenvertretungen ergibt sich daraus dringender Handlungsbedarf, insbesondere im Bereich der Prävention.
Psychische Belastungen sind ein ernstzunehmendes Problem
Lehrlinge befinden sich in einer besonders herausfordernden Lebensphase: Zwischen Schulabschluss und Berufsstart, inmitten von Leistungsdruck, sozialen Herausforderungen und wachsender Selbstverantwortung. Der Einstieg in die Arbeitswelt bringt neue Anforderungen, soziale Unsicherheiten und oft auch erste Konfrontationen mit Konflikten im Betrieb. Laut der Lehrlingsgesundheitsstudie 2021/22 des Sozialministeriums zeigen rund 20 Prozent der Lehrlinge Anzeichen psychischer Erkrankungen, bei weiblichen Lehrlingen sind es sogar über 28 Prozent. Häufig genannte Symptome sind depressive Verstimmungen, Angst- und Essstörungen, Schlafprobleme, sowie Reizbarkeit, Überforderung und Konzentrationsmangel.
Doppelbelastung aus Berufsschule und praktischer Arbeit
Diese Belastungen entstehen, weil Lehrlinge mit einer Doppelbelastung aus Berufsschule und praktischer Arbeit zurechtkommen müssen, oft unter hohem Erwartungsdruck von Ausbilder:innen, Familie und Umfeld. Viele sind noch unerfahren im Umgang mit Stress und Druck, was die Gefahr von Überforderung erhöht. Hinzu kommen soziale Herausforderungen im neuen Betrieb, wie Konflikte oder mangelnde Anerkennung, die das Selbstwertgefühl schwächen können. Externe Faktoren wie familiäre Probleme oder die Auswirkungen der Pandemie verstärken die psychischen Belastungen zusätzlich. Fehlende Unterstützung im Betrieb erschwert es, frühzeitig Hilfe zu suchen. All diese Faktoren machen Lehrlinge besonders anfällig für psychische Belastungen, die sich negativ auf Gesundheit, Lernleistung und Betriebsklima auswirken.
Lange Ausfallzeiten bei Lehrlingen
Psychische Erkrankungen führen bei Lehrlingen zu besonders langen Ausfallzeiten. Im Schnitt fehlten laut dem WIFO Fehlzeitenreport 2024 Lehrlinge mit psychischer Erkrankung 13,8 Tage pro Krankenstand. Das sind deutlich mehr als bei körperlichen Beschwerden. Da viele psychische Belastungen nicht unmittelbar erkannt oder benannt werden, verschärft sich die Situation oft, bevor eine Behandlung erfolgt oder betrieblich reagiert wird.
Diese Zahlen zeigen deutlich, dass Betriebe und Arbeitnehmer:innenvertretungen früher mit gezielten Präventionsmaßnahmen und einem sensiblen Blick auf die psychische Gesundheit junger Beschäftigter ansetzen müssen.
Betriebliche Prävention – Lehrlinge psychisch stärken
Psychische Gesundheit ist kein Tabuthema mehr, aber im Arbeitsalltag noch längst nicht ausreichend verankert. Für Betriebs- und Jugendvertrauensrät:innen sowie Sicherheitsvertrauenspersonen liegt hier ein zentrales Handlungsfeld. Ihre Nähe zu den Lehrlingen macht sie zu wichtigen Ansprechpersonen und Multiplikator:innen in der betrieblichen Prävention.
- Ein zentraler Schritt ist die Sensibilisierung. Schulungen zu Themen wie Stress, psychische Erste Hilfe oder Gesprächsführung helfen dabei, Warnzeichen wie Reizbarkeit, Rückzug oder häufige Fehlzeiten frühzeitig zu erkennen.
- Frühwarnsysteme, etwa durch regelmäßige Gespräche mit Lehrlingen, ermöglichen eine Basis für rechtzeitige Unterstützung. Ebenso entscheidend ist eine offene Gesprächskultur, bei der Lehrlinge sich vertrauensvoll an Ansprechpartner:innen wenden können, ohne Angst vor negativen Konsequenzen zu haben.
- Strukturelle Maßnahmen wie realistische Leistungsanforderungen, geregelte Pausen und klare Zuständigkeiten helfen, Überforderung zu vermeiden. Psychische Gesundheit sollte zudem fest im Arbeitnehmerschutz verankert und regelmäßig im Arbeitsschutzausschuss oder Gesundheitszirkel behandelt werden.
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