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Nach einem Tiefpunkt im Jahr 2016 sind die Beschäftigten im Handel – 2 Drittel von ihnen sind weiblich – jetzt infolge des wirtschaftlichen Aufschwungs wieder zufriedener.
Die Wirtschaftskrise in den Jahren 2008 und 2009 hat bei den rund 400.000 Handelsangestellten in Österreich zu einem besonders starken Rückgang der Arbeitszufriedenheit geführt. Nach einer mittelfristigen Erholung in den Folgejahren erreichte sie 2016 mit 105 Punkten einen neuen Tiefstwert. Im ersten Halbjahr 2017 zeigen sich jedoch die ersten Folgen des wirtschaftlichen Aufschwungs: Der Index geht seither wieder nach oben.
Die Handelsbeschäftigten sind jetzt wieder optimistischer für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes und des Betriebs, zufriedener mit ihren Vorgesetzten, sie sehen bessere Karrierechancen und auch mehr Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt als in den Jahren zuvor. Auch bei den psychischen und physischen Belastungen hat sich die Situation verbessert. Mehr als 2 Drittel glauben, gesund bis zur Pension durchhalten zu können. Das sind um 10 Prozentpunkte mehr als im Durchschnitt aller Branchen.
Die Gründe, nicht bis zur Pension durchhalten zu können, sind vor allem körperlicher Natur: Einerseits machen den Handelsangestellten die körperlichen Belastungen zu schaffen, andererseits ist die Arbeit auch anstrengend. Allerdings sind auch die psychischen Belastungen auf ähnlich hohem Niveau wie in den anderen Branchen. Hauptbelastung ist im Handel der ständige Kundenkontakt: Dieser stresst knapp doppelt so viele Beschäftigte wie im Durchschnitt aller Branchen. Rund jede/jeder Fünfte klagt über hohe Konzentration, hohe Verantwortung oder langes Stehen. Überdurchschnittlich belastet sind die Handelsbeschäftigten durch ständige Überwachung und Kontrolle, künstliches Licht und mangelnde Rückzugsmöglichkeiten.
2 Drittel der Beschäftigten im Handel müssen am Samstag arbeiten, fast 30 Prozent sogar häufig. Sonntagsarbeit ist hingegen (noch) kein Thema: Nur jede/jeder Zwanzigste muss, zumindest selten, auch am Sonntag arbeiten. Bei Betrachtung der einzelnen Berufe innerhalb der Branche zeigen sich deutliche Unterschiede: Regalbetreuer/-innen haben eine um rund 10 Punkte niedrigere Arbeitszufriedenheit als die restlichen Beschäftigten im Handel. Etwas besser geht es den Kassierern/-innen und den Fachverkäufern/-innen, aber auch sie liegen unter dem Branchenschnitt. Am zufriedensten sind Handelsangestellte mit Bürotätigkeit.
Der Handel ist nach wie vor eine der wichtigsten Ausbildungsbranchen. Rund 15.000 junge Menschen machen derzeit eine Lehre im Einzel- oder Großhandel.
Knapp 2 Drittel der Lehrlinge im Handel sind junge Frauen. Insgesamt machen rund 15.000 junge Menschen eine Lehrausbildung im Handel. Diese Zahl war in den vergangenen 10 Jahren stark rückläufig: 2007 wurden noch knapp 20.000 Lehrverhältnisse im Groß- und Einzelhandel verzeichnet. Dennoch ist und bleibt der Handel eine der wichtigsten Lehrlingsbranchen. Das zeigt sich auch an der Ausbildungsstruktur der im Handel Beschäftigten: Laut Arbeitsklima Index haben 6 von 10 Beschäftigten im Handel einen Lehrabschluss. Die Handelslehre ist also der wichtigste Schlüssel für eine Karriere im Handel.
Lehrlinge im Handel sind mit ihrer Arbeit und Ausbildung im Vergleich zu allen anderen Lehrlingen durchschnittlich zufrieden. Bei näherer Betrachtung fällt auf, dass diese Zufriedenheit vor allem darauf zurückzuführen ist, dass Lehrlinge im Handel sich weniger stark körperlich belastet fühlen als beispielsweise Lehrlinge in der Industrie. Gleichzeitig sind Handelslehrlinge mit ihrer konkreten Tätigkeit und mit ihrem Betrieb etwas zufriedener als Lehrlinge in anderen Branchen.
Als wesentlichen Nachteil nehmen Lehrlinge im Handel ihre Entlohnung wahr: 30 Prozent der Handelslehrlinge geben an, von ihrer Lehrlingsentschädigung nicht leben zu können. Im Durchschnitt aller anderen Branchen sind es um knapp 10 Prozentpunkte weniger. Kein Wunder, dass auch die Zufriedenheit mit dem Einkommen deutlich geringer ist: Nur 37 Prozent sind mit ihrer Lehrlingsentschädigung zufrieden. In anderen Branchen ist etwas mehr als die Hälfte der Lehrlinge zufrieden.
Kommentar von Dr. Johann Kalliauer
Präsident der AK Oberösterreich
Fast 2 Drittel der – vorwiegend weiblichen – Beschäftigten im Handel kommen mit ihrem Einkommen kaum oder gar nicht über die Runden. In allen anderen Branchen und Berufen sagen das rund 45 Prozent. Dementsprechend ist auch die Einkommenszufriedenheit der Handelsangestellten deutlich geringer als im Durchschnitt aller Branchen. Das hat nicht nur mit der hohen Teilzeitquote zu tun. Es liegt auch an zu niedrigen Stundenlöhnen.
Umso wichtiger ist die Sozialpartnereinigung auf einen Mindestlohn von 1.500 Euro. Dieser kommt vor allem Beschäftigten in Niedriglohnbranchen wie dem Handel zugute. Angesichts der fortschreitenden Teuerung muss er mittelfristig auf 1.700 Euro erhöht werden. Und der wirtschaftliche Aufschwung sollte bei den anstehenden Kollektivvertragsverhandlungen fairerweise kräftige Lohn- und Gehaltssteigerungen ermöglichen.
Denn die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Handel haben es sich verdient, ordentlich entlohnt zu werden. Gerade in den nächsten Wochen vor Weihnachten müssen sie wieder Enormes leisten.
In 2 Jahrzehnten haben die Sozialforscher/-innen von IFES und SORA im Auftrag der AK Oberösterreich rund 100.000 Datensätze gesammelt und interpretiert.
Feierten im September 20 Jahre Arbeitsklima Index: AK-Präsident Dr. Johann Kalliauer, Soziologe Colin Crouch und Sozialminister Alois Stöger (von links)
Um die 2 Millionen Kilometer sind die Interviewer/-innen von IFES in den vergangenen 20 Jahren direkt zu den Beschäftigten nach Hause gefahren – das entspricht 50 Mal dem Erdumfang. Bei den Interviews, die insgesamt 3 Millionen Minuten bzw. 5,7 Jahre dauerten, haben sie rund 100.000 Datensätze gesammelt. Somit können die Sozialforscher/-innen von SORA auf eine extrem breite und zuverlässige Datenbasis zurückgreifen, wenn sie die einzelnen Themenfelder im Auftrag der AK bewerten und aufbereiten.
Zu Beginn wurde der Index auf einen Wert von 100 Punkten festgesetzt. Sein Rekordhoch erreichte er im Jahr 2007, also zur Zeit der Hochkonjunktur, mit einem Wert von 112 Punkten. Im ersten Halbjahr 2016 stürzte der Index auf ein Rekordtief von 105 Punkten ab. Vor allem der Optimismus für die Zukunft des eigenen Betriebes und der österreichischen Wirtschaft ist in dieser Zeit dramatisch eingebrochen. In den vergangenen Monaten hat sich der Arbeitsklima Index erholt und liegt jetzt bei 109 Punkten.
Im Laufe der Jahre wurde der Arbeitsklima Index laufend weiterentwickelt und erweitert. Seit 2002 gibt es regelmäßige Sonderauswertungen zur (geteilten) Arbeitswelt von Frauen und Männern. Seit 2006 wird die Rolle und Wirkung von Betriebsräten/-innen analysiert. Im Jahr 2009 wurden mit zusätzlichen Fragen zum Arbeitsklima Index erstmals der Arbeitsgesundheitsmonitor und der Führungskräftemonitor erhoben. Beide werden seither – wie auch der Arbeitsklima Index selbst – in regelmäßigen Abständen der Öffentlichkeit präsentiert.
Die Sicht der Beschäftigten wird in wirtschafts- und sozialpolitischen Diskussionen viel zu wenig berücksichtigt. Auch, weil es vermeintlich zu wenig gesicherte Daten dazu gibt. Der Österreichische Arbeitsklima Index liefert seit 20 Jahren diese Daten und ist so ein Maßstab für den wirtschaftlichen und sozialen Wandel aus Sicht der Arbeitnehmer/-innen. Er untersucht deren Einschätzung hinsichtlich Gesellschaft, Betrieb, Arbeit und Erwartungen. Der Arbeitsklima Index erfasst die subjektive Dimension und erweitert so das Wissen über wirtschaftliche Entwicklungen und ihre Folgen für die Gesellschaft.
Die Berechnung des Arbeitsklima Index beruht auf vierteljährlichen Umfragen unter österreichischen Arbeitnehmern/-innen. Die Stichprobe von rund 4.000 Befragten pro Jahr ist repräsentativ, so dass daraus relevante Schlüsse für die Befindlichkeit aller Arbeitnehmer/-innen gezogen werden können. Der Arbeitsklima Index wird seit dem Frühjahr 1997 zweimal jährlich berechnet und veröffentlicht. Ergänzend gibt es Sonderauswertungen.
Aktuelle Ergebnisse und Hintergrundinformationen finden Sie unter ooe.arbeiterkammer.at/arbeitsklima. Dort steht nicht nur die umfangreiche Arbeitsklima-Datenbank für Auswertungen zur Verfügung, sondern es ist auch möglich, innerhalb weniger Minuten online den persönlichen Zufriedenheitsindex am Arbeitsplatz zu berechnen. Ebenfalls online ist der Führungskräfte Monitor: Er beantwortet die Frage, wie es um die Arbeitszufriedenheit der österreichischen Führungskräfte steht.
Der „Quality of work Index“ misst seit 5 Jahren die Arbeitszufriedenheit in Luxemburg. Als Vorbild diente der Arbeitsklima Index.
2012 wurde der „Quality of work Index Luxembourg“ geboren, und seitdem sammeln wir Jahr für Jahr Daten bei einer repräsentativen Stichprobe von über 1.500 Arbeitnehmern in Luxemburg (Pendler aus Frankreich, Belgien und Deutschland inbegriffen) über die erlebte Arbeitsqualität und die gesundheitlichen Befindlichkeiten.
Dieses Instrument ermöglicht auch Vergleiche zwischen Gruppen von Beschäftigten, zum Beispiel in den verschiedenen Berufsgruppen, nach Alterskategorien, nach dem Geschlecht und der familiären Situation oder je nach Wohngebiet und Herkunft des Arbeitnehmers. Die hohe Anzahl der Grenzgänger ist ja eine Besonderheit des Luxemburger Arbeitsmarktes. Eine Schwierigkeit, die wir meistern mussten, ist die Vielsprachigkeit der Beschäftigten in Luxemburg, was uns dazu führte, dass wir mittlerweile fünf Sprachversionen des gleichen Fragebogens haben (Luxemburgisch, Deutsch, Französisch, Portugiesisch, Englisch).
Ohne die Inspiration und die Orientierungshilfe des großen Vorbildes, dem Arbeitsklima Index, wäre die Anfangsphase deutlich schwieriger und holpriger geraten. Viel Glück zum zwanzigsten Geburtstag!
Vor etwa 7 Jahren sind wir bei der Arbeitnehmerkammer Luxemburg (Chambres des salariés Luxembourg, CSL) zur Überzeugung gelangt, dass wir ein Instrument benötigen, mit dem man Trends und Veränderungen in der Arbeitswelt bei der Entwicklung der Arbeitsqualität und der Gesundheit der Beschäftigten erkennen und verfolgen kann. Bei unserer Suche nach einem bestehenden Projekt, das ähnliche Ziele verfolgt, wurden wir auf den Arbeitsklima Index als ein in Europa einmaliges Instrument aufmerksam.
Der Arbeitsklima Index findet großen Anklang bei den Gewerkschaften, den Arbeitgebern, der Öffentlichkeit, den Medien und der Politik. Er wird oftmals zitiert in anderen österreichischen und europäischen Institutionen (z.B. Eurofound in Dublin) und seine Daten werden in zahlreichen Studien weiterverwendet.
Mit der Universität Luxemburg als wissenschaftlicher Partnerin begannen wir, eine nationale Studie unter Berücksichtigung der landesspezifischen Merkmale zu realisieren. Es ging darum, eine strukturierte und arbeitswissenschaftlich korrekte Darstellung davon zu bekommen, wie die arbeitenden Personen ihre Beschäftigung erleben, und somit Material zu liefern, sozialpolitische Debatten konstruktiver zu führen.
David Büchel,
Arbeitnehmerkammer Luxemburg
Arbeitsklima Index 2017 - November
Präsentation von IFES und SORA
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