Teilzeit-Debatte ist respektlos
Seit Monaten schlagen sowohl Politiker:innen als auch Wirtschaftsvertreter:innen einen aggressiven Ton gegenüber Teilzeitbeschäftigten an, indem sie hunderttausenden Arbeitnehmer:innen unsoziales Verhalten unterstellen. Manche gehen sogar so weit, Teilzeitarbeitende als Sozialstaatsgefährder:innen zu bezeichnen. Die Beschäftigten würden angeblich Österreichs Wettbewerbsfähigkeit schwächen. Dies ist respektlos und nicht hinnehmbar. Immerhin ist Österreichs derzeit größte Teilzeitbranche das Gesundheits- und Sozialwesen, das auch eine tragende Säule der Gesellschaft ist.
Es gibt viele Gründe für Teilzeit: familiäre Verpflichtungen, zu hohe Arbeitsbelastung aber auch gesundheitliche oder altersbezogene Aspekte. Oftmals ist eine Stundenaufstockung gar nicht möglich, weil die Rahmenbedingungen nicht passen. Oft fehlen vollzeittaugliche Bildungs- und Betreuungsplätze. Oder es gibt schlichtweg keine Vollzeitstellen. Was in der Debatte oft nicht erwähnt wird ist, dass Teilzeit im Handel zwischenzeitlich das Geschäftsmodell der Unternehmer darstellt. Mit Teilzeit ist meist ein geringeres Einkommen verbunden. Und somit auch niedrigere Sozialversicherungsleistungen, die sich nachhaltig negativ zum Beispiel auf Krankengeld, Arbeitslosenbezug und Pension auswirken.
Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigte sind Leistungsträger: innen
In der „Teilzeit-Debatte“ werden immer wieder lautstark Fehlinformationen verbreitet und herabwürdigende Aussagen getroffen. Die Arbeiterkammer steht dabei als starke Stimme hinter allen Arbeitnehmer:innen, egal ob in Vollzeit oder Teilzeit.
Meinung Nummer 1
„Im Teilzeitmodus gibt es kein Spital, kein Altersheim, gibt es auch kein Schnitzel beim Wirten.“Minister Wolfgang Hattmannsdorfer, Juli 2025
Das Gesundheits- und Sozialwesen wird insgesamt von rund 450.000 Arbeitnehmer:innen aufrechterhalten, darunter mehr als einer Viertelmillion (rund 247.000) in Teilzeit. In den beiden nächstgrößten Teilzeitbranchen Handel sowie Erziehung und Unterricht sind es rund 222.000 bzw. 136.000 Teilzeitbeschäftigte (von 562.000 bzw. 307.000 gesamt). Aber auch in der Produktion (110.000), bei Freiberufler:innen und Wissenschafter:innen (84.000), in der Beherbergung / Gastro (79.000) und in der öffentlichen Verwaltung (78.000) ist Teilzeitarbeit wichtig.
Meinung Nummer 2
Ich habe kein Verständnis, wenn es null Betreuungsverpflichtungen für Kinder oder bei zu pflegenden Angehörigen gibt, wenn man gesund ist, dass man dann Teilzeit arbeitet, weil das ist auch eine Frage der Verantwortung gegenüber der gesamten Gesellschaft.“Minister Wolfgang Hattmannsdorfer, Juli 2025
Gerade wer im Spital, in der Pflege oder in der Kinderbildung und -betreuung arbeitet, übernimmt eine hohe gesellschaftliche Verantwortung. Diese Berufe sind durch besonders belastende Tätigkeiten geprägt und für viele nicht Vollzeit schaffbar. Und im Einzelhandel oder der Gastronomie erschweren zerstückelte Arbeitszeiten (ein paar Stunden Arbeit, gefolgt von langer unbezahlter Pause, dann wieder ein paar Stunden Arbeit) das Familienleben.
Kinder, Pflege und Bildung Hauptmotive für Teilzeit
Allen Teilzeitbranchen gemein ist ihr hoher Frauenanteil. Die über eine Million Teilzeitbeschäftigten sind zu rund 80 Prozent Frauen. Sie sind es, die den Großteil familiärer Aufgaben bewältigen und mit Erwerbstätigkeit zu vereinbaren versuchen. Die Teilzeitquote bei Frauen steigt ab dem Alter von 30 Jahren auf über 50 Prozent, bei Männern hingegen sinkt ab dem Alter von 25 Jahren ihre Teilzeithäufigkeit von zuvor noch 25 Prozent (20 bis 24 Jahre) auf rund acht bis neun Prozent. Während in jüngeren Jahren wegen Aus- und Weiterbildung Teilzeit gearbeitet wird, ist im mittleren Alter der Betreuungsbedarf von Angehörigen ausschlaggebend. Häufiger explizit keine Vollzeitarbeit wollen erst über 50-Jährige Teilzeitbeschäftigte. Das kann viele Beweggründe haben – etwa, dass die Ausübung des bisherigen Berufs in Vollzeit gesundheitlich nicht mehr schaffbar ist.
110.400 Teilzeitbeschäftigten bleibt Aufstockungswunsch Verwehrt
Meinung Nummer 3
„Teilzeit ohne Grund ist gesellschaftlich nicht tragbar. Wer gesund ist und keine Verpflichtungen hat, muss bereit sein, mehr zu leisten.“Minister Wolfgang Hattmannsdorfer, Juli 2025
Besonders weil Frauen den Großteil der unbezahlten Haus- und Sorgearbeit übernehmen, können sich oft nicht aussuchen, ob sie Voll- oder Teilzeit arbeiten. Gleichzeitig gibt es rund 200.000 Teilzeitbeschäftigte in Österreich, die mehr Stunden arbeiten wollen. Mehr als die Hälfte von ihnen, etwa 110.400, wäre auch kurzfristig verfügbar. Ihr Wunsch bleibt ihnen aber verwehrt – mangels Rechtsanspruch oder passender Angebote. Oder ist es der Wille der Unternehmer:innen?
Weniger Stundengelt bei Teilzeit
Meinung Nummer 4
„Teilzeit ist in vielen Bereichen zu attraktiv. Im Teilzeitmodus und mit Wellnessmentalität werden wir den Wohlstand nicht halten können.“Minister Wolfgang Hattmannsdorfer, Mai 2025
Dass Teilzeitarbeit finanziell attraktiv sei, hält der Faktenlage nicht stand. Denn mit der im Vergleich zur Vollzeit geringeren Wochenarbeitszeit reduziert sich auch das Entgelt. So erhielten ganzjährig Teilzeitbeschäftigte 2023 im Schnitt 26.826 Euro als Jahresbrutto. Das ist um über die Hälfte weniger (55 Prozent) als ein ganzjähriges Vollzeitentgelt (59.509 Euro). Aber auch pro Stunde wird Teilzeit geringer entlohnt. So ist das Median-Stundenentgelt bei Teilzeit um fast ein Fünftel (rund 18 Prozent) niedriger als bei Vollzeit. Das liegt daran, dass Teilzeitarbeit sehr häufig in Branchen stattfindet, die vergleichsweise geringere Entlohnung bieten.
Geringere Mehrarbeitsvergütung bei Teilzeit
Das Arbeitszeitgesetz sieht für Vollzeitbeschäftigte beim Überschreiten der gesetzlichen Normalarbeitszeit von 40 Stunden einen Zuschlag von 50 Prozent vor. Im Gegensatz dazu beträgt der gesetzlich für eine Mehrarbeitsstunde bei Teilzeit vorgesehene Zuschlag nur 25 Prozent. Dieser kann sogar gänzlich entfallen, wenn es im Dreimonatszeitraum zu einem Eins-zu-eins-Zeitausgleich kommt. Diese Ungerechtigkeit wird von Branchen mit hohem Teilzeitanteil auf Kosten der Beschäftigten ausgenutzt. 2024 haben laut Statistik Austria 82.000 Teilzeitbeschäftigte regelmäßig Mehrarbeit erbracht, im Schnitt rund 5,5 Stunden in der Woche. Von den insgesamt rund 23,4 Millionen erbrachten Mehrarbeitsstunden wurden 29 Prozent nicht – weder in Geld noch Zeit – bezahlt. Auch nicht 1:1. Den teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer:innen wurden dadurch geschätzt rund 145 Million Euro vorenthalten.
Meinung Nummer 5
„Die Lifestyle-Teilzeitwelle in ihrer aktuellen Dimension gefährdet unseren Sozialstaat und schwächt unsere wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit.“
Minister Wolfgang Hattmannsdorfer, Juli 2025
Teilzeitbeschäftigte leisten angemessenen Sozialbeitrag
Die Sozialversicherung (SV) in Österreich bemisst sich im Verhältnis zur Einkommenshöhe. Wer mehr verdient, kann mehr beitragen und bekommt in Folge auch höhere Leistungen, wie z.B. eine höhere Pension, ein höheres Arbeitslosengeld, einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld oder höheres Krankengeld. Natürlich unter Berücksichtigung von Geringfügigkeitsgrenze und Höchstbeitragsgrundlage. Die 2023 von ganzjährig Teilzeitbeschäftigten insgesamt einbehaltenen SV-Beiträge in Höhe von 4,5 Milliarden Euro entsprechen einem Anteil von 15,9 Prozent im Verhältnis zu ihren summierten Teilzeit-Jahresentgelten. Zum Vergleich: Bei ganzjähriger Vollzeit beträgt der Anteil 15,4 Prozent. Geht es nach der Industriellenvereinigung, soll es aber bei Teilzeit einen SV-Mindestbetrag geben. Das würde die ohnehin gering verdienenden Teilzeitbeschäftigten zusätzlich belasten.
Meinung Nummer 6
„Teilzeitarbeit: das ist kein Ruhmesblatt für Österreich“Minister Wolfgang Hattmannsdorfer, Juli 2025
Schluss mit den unrühmlichen Angriffen auf Teilzeitbeschäftigte!
Weil Teilzeitbeschäftigung nicht zur Falle werden darf, sagen wir Ja zur Teilzeit aber geregelt: Recht auf einen Vollzeit-Arbeitsplatz bzw. auf Stundenaufstockung, wenn im Betrieb möglich. Rechtsanspruch auf gebührenfreie, vollzeittaugliche Kinderbildung und -betreuung. Gleiche gesetzliche Zuschläge für Teilzeit-Mehrarbeit wie bei Überstunden (50 Prozent), Bezahlung ab der ersten Stunde und steuerliche Gleichbehandlung
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