Teilzeit und freie Dienstverträge: atypische Beschäftigungsverhältnisse nehmen zu
In den vergangenen Jahrzehnten haben sich immer mehr atypische Beschäftigungsformen am österreichischen Arbeitsmarkt ausgebreitet. Mittlerweile machen sie über ein Drittel aller abhängigen Beschäftigungen aus.
Atypisch meint, dass diese Beschäftigungsformen nicht den Kriterien einer unbefristeten Beschäftigung in Vollzeit bei einem Unternehmen entsprechen. Arbeitnehmer:innen sind darin verstärkten wirtschaftlichen und sozialen Risiken ausgesetzt - der Betreff "Prekariat" trägt diesem Sachverhaltung Rechnung.
Formen atypischer Beschäftigung können sein
- Teilzeit:
Insbesondere Teilzeit mit einem niedrigen Stundenausmaß bietet keine eigenständige Lebenssicherung und birgt das Risiko von Altersarmut. Zudem werden Teilzeitbeschäftigte häufig als „Flexibilitätsreserve“ missbräuchlich verwendet: mit niedrigem Stundenausmaß anmelden, faktisch höher arbeiten lassen. - Geringfügige Beschäftigung:
Eine typische Beschäftigungsform für Nebeneinkünfte beispielsweise für Studierende, Personen in Karenz oder auch als sanfte Form des Wiedereinstiegs für Personen mit angegriffener Arbeitsfähigkeit. Ein hohes Risiko ist dann gegeben, wenn mehrere geringfügige Jobs kombiniert werden müssen. - Befristungen:
Insbesondere jüngere Personen mit tendenziell höherer Qualifikation sind davon betroffen. Ein „Hanteln“ von Befristung zu Befristung beeinträchtigt die Möglichkeiten der Artikulation der eigenen Interessen und blockiert massiv die private Lebensplanung, etwa eine Familiengründung. - Freie Dienstverträge:
Diese Beschäftigtengruppe ist seit 2008 immerhin arbeitslosen, kranken- und pensionsversichert. Es gibt aber weiterhin keinen bezahlten Urlaub oder fixe Arbeitszeitgrenzen - Arbeitskräfteüberlassung (Leiharbeit):
Für Arbeiter:innen in bestimmten Bereichen des Arbeitsmarktes z.B. Produktion, oft alternativlos. Der Beschäftigungstyp bedeutet faktisch häufig eine Aneinanderreihung kurzfristiger Beschäftigungen unterbrochen durch Arbeitslosigkeit. Ein langfristiges Verweilen in diesem Beschäftigungstyp, indem häufig besonders „harte“ Tätigkeiten verrichtet werden müssen, greift die Gesundheit wie auch die beruflich-soziale Integration der Arbeiter:innen an.
Mit dem Arbeitskräfteüberlassungsgesetz und dem AKÜ-Kollektivvertrag sind Meilensteine gelungen, um den besonderen Bedürfnissen dieser Arbeitnehmer:innen gerecht zu werden. Sie dürfen allerdings von der Überlassungsbranche und den Beschäftigerbetrieben nicht umgangen werden, sondern müssen konsequent umgesetzt werden.
Spezialfall Plattformarbeit
Hinzu kommt die Problematik der Scheinselbstständigkeit, bei welcher Personen unter arbeitnehmerähnlichen Bedingungen arbeiten aber eine reguläre Anstellung umgangen wird. Beispiele dafür sind die so genannten 24-Stunden-Betreuerinnen in Privathaushalten, die von Agenturen vermittelt werden und die „Plattformökonomie“.
Die digital vermittelten Plattformen, hinter denen oft kapitalstarke internationale Unternehmen stehen, verweigern tendenziell, ihre faktische Rolle als Arbeitgeber:innen anzuerkennen. Die Anerkennung von grundlegenden Arbeitnehmer:innrechten für diese Gruppe ist das Ziel der EU-Richtlinie für Plattformarbeit, die in den kommenden Jahren in Österreich umgesetzt werden darf.
Atypische Beschäftigung als Frauenphänomen – mit Ausnahmen
Die mit Abstand am weitesten verbreitete vom Vollzeit-Normalarbeitsverhältnis abweichende - ehemals atypische - Beschäftigungsform ist die Teilzeitbeschäftigung. In ihr spiegelt sich ungleiche Verteilung von bezahlter Arbeit zwischen den Geschlechtern wider.
Österreichweit arbeiten 50, 6 Prozent der abhängig erwerbstätigen Frauen im Vergleich zu 13,6 Prozent der erwerbstätigen Männer in Teilzeit. Die Teilzeitquote der Frauen ist in den letzten Jahrzehnten stark, jene der Männer etwas angestiegen.
Im Flächenbundesland Oberösterreich sind die Verhältnisse diesbezüglich noch ungleicher: 54,7 % Prozent der Frauen im Vergleich zu 11,7 der Männer in Teilzeit. In absoluten Zahlen sind das in unserem Bundesland circa 199.000 Frauen und 49.000 Männer, die in Teilzeit arbeiten. Die Ursachen liegen in der nicht ausreichend und flächendeckend ausgebauten Kinderbetreuung, aber auch in Arbeitsverdichtung und Arbeitsstress, die ein Arbeiten in Vollzeit in bestimmten Bereichen wenig wahrscheinlich machen.
Von den anderen atypischen Beschäftigungsformen hat die Arbeitskräfteüberlassung ihren Verbreitungsschwerpunkt in Oberösterreich. Sie macht in unserem Bundesland etwa 3,3 Prozent aller abhängigen Beschäftigungen aus – im Vergleich zu 2,2 Prozent österreichweit. Dies liegt daran, dass dieser Beschäftigungstyp gehäuft für bestimmte Tätigkeitsprofile im sekundären Sektor zum Einsatz kommt: Dreiviertel der Überlassungen entfallen auf die Sparten Industrie, Gewerbe und Handwerk. Hervorstechend im Vergleich zu den anderen weiblich dominierten atypischen Beschäftigungsformen ist die Geschlechtsverteilung: Sie wird zu 79 % von Männern ausgeübt.
AK Forderungen
Um die Lage von atypisch beschäftigten Arbeitnehmer:innen zu verbessern fordert die AK unter anderem:
- Flächendeckender Ausbau einer vollzeittauglichen Kinderbetreuung, um insbesondere Frauen eine bessere Arbeitsmarkteilhabe zu ermöglichen
- Recht auf Wechsel zwischen Voll- und Teilzeit im Laufe eines Arbeitslebens
- Arbeitskräfteüberlassung
- Angebot für Übernahme zu fairen Bedingungen nach einer bestimmten Überlassungsdauer (etwa nach sechs Monaten)
- Festlegung von Höchstquoten (z.B. 10 Prozent) für den Anteil an überlassenen Arbeitnehmer:innen pro Betrieb
- Befristete Verträge tatsächlich nur für vorübergehende und nicht für reguläre Arbeitsbedarfe
- Bekämpfung von Scheinselbständigkeit – insbesondere in der Plattformarbeit - und Schaffung eines erweiterten Arbeitnehmer:innenbegriffs
- volle arbeitsrechtliche Absicherung für freie Dienstnehmer:innen, damit auch für sie Regeln unter anderem zu Mindestlohn, Arbeitszeit, Urlaub gelten.