17.09.2024

Krank zur Arbeit: Präsentismus­zahlen besorgnis­erregend ge­stiegen

Aktuelle Zahlen aus dem Arbeits­klima Index zeigen, dass knapp 60 Prozent der Beschäftigten in Österreich trotz Krank­heit zur Arbeit gehen. Dieser alarmierende Wert stellt einen Höchst­stand seit Erhebungs­beginn im Jahr 2008 dar. Die Gründe für das Arbeiten trotz gesundheit­licher Einschränkungen (Präsentis­mus) sind viel­fältig. Sie reichen von einem tiefen Pflicht­gefühl gegenüber Kolleg:innen bis hin zu Ängsten vor Kündigung und Arbeits­platz­verlust. Dabei setzen die Beschäftigten ihre eigene Gesund­heit aufs Spiel.

Besonders häufig ist es ein starkes Pflicht­gefühl gegenüber den Kolleginnen und Kollegen, das Beschäftigte dazu bewegt, auch bei Erkrankung in die Arbeit zu gehen. Mehr als die Hälfte (55 Prozent) der Beschäftigten geben dies als Haupt­grund für ihren Präsentis­mus an. Darüber hinaus haben knapp 40 Prozent die Sorge, dass ihre Arbeit sonst liegen bleibt und 32 Prozent geben an, dass sie keine Vertretung gehabt haben.

Präsentismus zeigt sich auch geschlechts­spezifisch: Knapp 60 Prozent der weiblichen Beschäftigten möchten ihre Kolleg:innen nicht im Stich lassen, während es bei den Männern 52 Prozent sind. Zudem ist dieser Druck in den Branchen Gesund­heit und Soziales sowie im Einzel­handel besonders hoch, was nicht über­raschend ist, da hier der Frauen­anteil ebenfalls hoch ist.

Schlechtere Gesund­heit und höhere Un­zu­frieden­heit

Die gesundheit­lichen Aus­wirkungen sind eklatant. Während 80 Prozent der Beschäftigten, die bei Krank­heit zu Hause bleiben, ihren Gesundheits­zustand als „gut“ oder „sehr gut“ einschätzen, sind es bei denjenigen, die trotz Krank­heit in den Betrieb gehen, nicht einmal 60 Prozent. Lediglich 16 Prozent der präsentistischen Arbeitnehmer:innen bewerten ihren Gesundheitszustand als „sehr gut“. „Krank arbeiten ist auch lang­fristig schlecht für die Gesund­heit. Es muss genauso im Sinne der Arbeit­geber sein, dass sich die Beschäftigten auskurieren können und dann wieder gesund zur Arbeit kommen. Druck hat hier nichts verloren“, plädiert AK-Präsident Andreas Stangl.

Parallel dazu sind diese Beschäftigten signifikant stärker durch Zeit­druck belastet: 37 Prozent der Krank-Arbeitenden geben an, (sehr) stark unter Zeit­druck zu leiden, während es bei den anderen lediglich ein Fünftel ist. Der Gesundheits­zustand und die Wahr­nehmung der körper­lichen Leistungs­fähigkeit leiden eben­falls erheblich: Nur 16 Prozent der arbeitenden Kranken beurteilen ihre Leistungs­fähigkeit als sehr gut, im Vergleich zu 32 Prozent derjenigen, die nicht krank arbeiten.

Zusätzlich zeigen die Ergebnisse eine besorgnis­erregende Ein­schätzung der Zukunft. Knapp 40 Prozent der Beschäftigten, die krank arbeiten, glauben, dass es un­wahrscheinlich ist, dass sie bis zur Pension in ihrem Beruf durch­halten können – ein alarmierender Vergleich zu 28 Prozent bei den anderen Beschäftigten.

Home-Office verstärkt Präsentismus

Ein weiterer Faktor, der in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen hat, ist das Arbeiten im Home-Office. Hier zeigen die Zahlen einen besorgniserregenden Trend: Bei Beschäftigten, die ihre Arbeit von zu Hause aus erledigen können, geben 61 Prozent an, krank gearbeitet zu haben, während es bei den Beschäftigten, die kein Home-Office nutzen können, nur 53 Prozent sind.

„Wer krank ist, soll nicht arbeiten. Weder im Betrieb noch aus dem Home-Office. Die Beschäftigten brauchen eine Arbeitsumgebung, in der man auch einmal krank sein darf“, sagt AK-Präsident Andreas Stangl.

Der Österreichische Arbeits­klima Index

Seit mittlerweile 27 Jahren erhebt die Arbeiter­kammer Oberösterreich gemeinsam mit den Forschungs­instituten IFES und FORESIGHT den Arbeitsklima Index. Er gibt Aufschluss über die Arbeits­zufriedenheit, aber auch über die Belastungen und Sorgen der österreichischen Beschäftigten. In persönlichen und Online-Interviews werden jährlich rund 4.000 Personen befragt. Dadurch lässt sich ein Stimmungs­bild für die Beschäftigten in ganz Österreich ab­leiten. Seit dem Jahr 2008 wurde durch den Arbeits­gesundheits­monitor eine Erweiterung mit Fokus auf Gesundheits­themen im betrieblichen Kontext vor­genommen.

„Krank arbeiten ist schlecht für die eigene Gesund­heit und gefährdet auch die Kolleginnen und Kollegen. Die Beschäftigten brauchen eine Arbeits­umgebung, in der man auch einmal krank sein darf."

Andreas Stangl

AK-Präsident

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