Krank zur Arbeit: Präsentismuszahlen besorgniserregend gestiegen
Aktuelle Zahlen aus dem Arbeitsklima Index zeigen, dass knapp 60 Prozent der Beschäftigten in Österreich trotz Krankheit zur Arbeit gehen. Dieser alarmierende Wert stellt einen Höchststand seit Erhebungsbeginn im Jahr 2008 dar. Die Gründe für das Arbeiten trotz gesundheitlicher Einschränkungen (Präsentismus) sind vielfältig. Sie reichen von einem tiefen Pflichtgefühl gegenüber Kolleg:innen bis hin zu Ängsten vor Kündigung und Arbeitsplatzverlust. Dabei setzen die Beschäftigten ihre eigene Gesundheit aufs Spiel.
Besonders häufig ist es ein starkes Pflichtgefühl gegenüber den Kolleginnen und Kollegen, das Beschäftigte dazu bewegt, auch bei Erkrankung in die Arbeit zu gehen. Mehr als die Hälfte (55 Prozent) der Beschäftigten geben dies als Hauptgrund für ihren Präsentismus an. Darüber hinaus haben knapp 40 Prozent die Sorge, dass ihre Arbeit sonst liegen bleibt und 32 Prozent geben an, dass sie keine Vertretung gehabt haben.
Präsentismus zeigt sich auch geschlechtsspezifisch: Knapp 60 Prozent der weiblichen Beschäftigten möchten ihre Kolleg:innen nicht im Stich lassen, während es bei den Männern 52 Prozent sind. Zudem ist dieser Druck in den Branchen Gesundheit und Soziales sowie im Einzelhandel besonders hoch, was nicht überraschend ist, da hier der Frauenanteil ebenfalls hoch ist.
Schlechtere Gesundheit und höhere Unzufriedenheit
Die gesundheitlichen Auswirkungen sind eklatant. Während 80 Prozent der Beschäftigten, die bei Krankheit zu Hause bleiben, ihren Gesundheitszustand als „gut“ oder „sehr gut“ einschätzen, sind es bei denjenigen, die trotz Krankheit in den Betrieb gehen, nicht einmal 60 Prozent. Lediglich 16 Prozent der präsentistischen Arbeitnehmer:innen bewerten ihren Gesundheitszustand als „sehr gut“. „Krank arbeiten ist auch langfristig schlecht für die Gesundheit. Es muss genauso im Sinne der Arbeitgeber sein, dass sich die Beschäftigten auskurieren können und dann wieder gesund zur Arbeit kommen. Druck hat hier nichts verloren“, plädiert AK-Präsident Andreas Stangl.
Parallel dazu sind diese Beschäftigten signifikant stärker durch Zeitdruck belastet: 37 Prozent der Krank-Arbeitenden geben an, (sehr) stark unter Zeitdruck zu leiden, während es bei den anderen lediglich ein Fünftel ist. Der Gesundheitszustand und die Wahrnehmung der körperlichen Leistungsfähigkeit leiden ebenfalls erheblich: Nur 16 Prozent der arbeitenden Kranken beurteilen ihre Leistungsfähigkeit als sehr gut, im Vergleich zu 32 Prozent derjenigen, die nicht krank arbeiten.
Zusätzlich zeigen die Ergebnisse eine besorgniserregende Einschätzung der Zukunft. Knapp 40 Prozent der Beschäftigten, die krank arbeiten, glauben, dass es unwahrscheinlich ist, dass sie bis zur Pension in ihrem Beruf durchhalten können – ein alarmierender Vergleich zu 28 Prozent bei den anderen Beschäftigten.
Home-Office verstärkt Präsentismus
Ein weiterer Faktor, der in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen hat, ist das Arbeiten im Home-Office. Hier zeigen die Zahlen einen besorgniserregenden Trend: Bei Beschäftigten, die ihre Arbeit von zu Hause aus erledigen können, geben 61 Prozent an, krank gearbeitet zu haben, während es bei den Beschäftigten, die kein Home-Office nutzen können, nur 53 Prozent sind.
„Wer krank ist, soll nicht arbeiten. Weder im Betrieb noch aus dem Home-Office. Die Beschäftigten brauchen eine Arbeitsumgebung, in der man auch einmal krank sein darf“, sagt AK-Präsident Andreas Stangl.
Der Österreichische Arbeitsklima Index
Seit mittlerweile 27 Jahren erhebt die Arbeiterkammer Oberösterreich gemeinsam mit den Forschungsinstituten IFES und FORESIGHT den Arbeitsklima Index. Er gibt Aufschluss über die Arbeitszufriedenheit, aber auch über die Belastungen und Sorgen der österreichischen Beschäftigten. In persönlichen und Online-Interviews werden jährlich rund 4.000 Personen befragt. Dadurch lässt sich ein Stimmungsbild für die Beschäftigten in ganz Österreich ableiten. Seit dem Jahr 2008 wurde durch den Arbeitsgesundheitsmonitor eine Erweiterung mit Fokus auf Gesundheitsthemen im betrieblichen Kontext vorgenommen.
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