10.05.2024

Wachsende Heraus­forderungen in der Betreuung und Pflege von be­ein­trächtigten Menschen

Die Beschäftigten im Gesundheits- und Sozialbereich erbringen Spitzenleistungen. In ihrer täglichen Arbeit sind sie dabei belastenden Arbeits- und Rahmenbedingungen ausgesetzt. Vor allem die zunehmende Verdichtung der Arbeit hat auch gesundheitliche Auswirkungen zur Folge. Auch deshalb glauben immer mehr Beschäftigte, dass sie den Beruf nicht bis zur Pension ausüben können. Die Betreuung und Pflege von beeinträchtigten Menschen (geistig, psy-chisch, körperlich oder mehrfach) steht vor wachsenden Herausforderungen. Vor allem ältere Menschen mit Beeinträchtigungen brauchen eine aufwändigere Pflege, was wiederum große Belastungen für das Betreuungs- und Pflegepersonal mit sich bringt. 

Somit steht fest: Es braucht dringend Verbesserungen im gesamten Gesundheits- und Sozialbereich: eine zeitgemäße Personalberechnung, gerechte Entlohnung, bessere Arbeits- und Rahmenbedingungen sowie mehr Wertschätzung für die Leistungen der Beschäftigten.

Beschäftigte im Chancen­gleich­heits­bereich sind stark be­lastet

Die Menschen werden immer älter. Damit steigt auch der Bedarf an notwendiger Pflege und Betreuung. Zudem wird in den kommenden Jahren auch die Zahl älterer Menschen mit Beeinträchtigungen weiter ansteigen. Bei Menschen mit mehrfachen Beeinträchtigungen nehmen vor allem die pflegerischen Tätigkeiten zu. Daraus ergeben sich einige Herausforderungen für Pflegekräfte im Behindertenbereich: 

  1. Komplexere Gesundheitsprobleme:
    Mit zunehmendem Alter treten häufig weitere Gesundheitsprobleme auf, die es schwieriger machen, eine angemessene Pflege zu gewährleisten. Pflegekräfte müssen sich mit komplexeren medizinischen Bedürfnissen auseinandersetzen und eventuell zusätzliche Spezialisierungen erlernen.

  2. Erhöhter Bedarf an Unterstützung:
    Ältere Menschen mit Beeinträchtigungen benötigen in der Regel eine intensivere und langfristige Unterstützung, da ihre körperlichen und geistigen Fähigkeiten im Laufe der Zeit nachlassen können. Dies erfordert von den Pflegekräften eine verstärkte Betreuung und Aufmerksamkeit.

  3. Herausforderungen bei der Mobilität:
    Mit dem Alter kann es zu einer Verschlechterung der Mobilität kommen, was die alltäglichen Aufgaben und die Pflege von beeinträchtigten Personen erschwert. Pflegekräfte müssen möglicherweise zusätzliche Hilfsmittel einsetzen und spezielle Unterstützungstechniken erlernen, um die Bewegungsfreiheit der betroffenen Personen zu erhalten.

  4. Psychische Gesundheit:
    Ältere Menschen mit Beeinträchtigungen können von psychischen Problemen wie Angstzuständen, Depressionen oder Demenz betroffen sein, die eine spezielle Betreuung erfordern. Pflegekräfte müssen sensibel auf diese psychologischen Bedürfnisse eingehen und geeignete Unterstützungsmöglichkeiten bereitstellen.
    Insgesamt stellt die alternde Bevölkerung eine große Herausforderung für Betreuungs- und Pflegekräfte im Chancengleichheitsbereich dar. Es erfordert eine verstärkte Aufmerksamkeit auf die sich ändernden Bedürfnisse und Anforderungen älterer Menschen mit Beeinträchtigungen, um eine qualitativ hochwertige Pflege sicherzustellen. Der Chancengleichheitsbereich und vor allem die Beschäftigten stehen damit vor steigenden Herausforderungen, die bisher vielfach übersehen werden. 
    Auch Gewalt gegen Pflegekräfte, die von Klient:innen ausgeht, ist eine zusätzliche Belastung für die Beschäftigten. Konkret äußert sich Gewalt beispielsweise durch körperliche oder verbale Angriffe. Die Ursachen dafür sind vielfältig. So können Veränderungen in der Routine, in der Umgebung oder in der Pflegeversorgung zu Stress bei den Klient:innen führen, was sich in aggressiven Verhalten äußert. Aber auch die Tatsache, dass sich Beschäftigte nicht ausreichend absichern können, weil zu wenig Personal vorhanden ist, ist eine mögliche Ursache. 

    Es ist die Aufgabe der Arbeitgeber:innen im Rahmen der Fürsorgepflicht für die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten zu sorgen. Es braucht daher Maßnahmen, um Pflegekräfte vor Gewalt zu schützen, sowie angemessene Unterstützungen und Ressourcen, wenn Pflegekräfte Gewalt erleben.
     

Belastende Arbeits- und Rahmen­bedingungen haben Aus­wirkungen auf alle

Beschäftigte im Gesundheits- und Sozialbereich gehen fast tagtäglich an ihre Belastungsgrenze, um unter den derzeit vorherrschenden Rahmenbedingungen allen Patient:innen in den Krankenhäusern, Bewohner:innen in den Alten- und Pflegeheimen sowie Klient:innen im Chancengleichheitsbereich (er umfasst Menschen mit körperlichen, geistigen, psychischen und/oder mehrfachen Beeinträchtigungen) die beste Versorgung bieten zu können. 
In den letzten Jahrzehnten hat sich die Arbeit im Gesundheits- und Sozialbereich verändert. Durch neue Pflegekonzepte, stark angestiegene Anforderungen bei der Dokumentation und auch technologische Neuerungen steigen die Herausforderungen für die Beschäftigten. Die zusätzlichen Tätigkeiten kosten viel Zeit, die wiederum bei der Pflege und Betreuung fehlt. Dadurch kann die Beziehungs- und Betreuungsqualität leiden. Dazu kommt noch der oft hohe Zeitdruck. 
Der Zeitdruck und die Personalknappheit, die sich bei Ausfällen zum Beispiel aufgrund von Krankenständen noch verschärfen, können auch Auswirkungen auf das Miteinander im Team haben. Konflikte oder einfach zu wenig Zeit für Teambesprechungen sind die Folge. Auch für die Einarbeitung neuer Kolleg:innen bleibt dabei meist zu wenig Zeit. Um die Zunahme an Tätigkeiten und Ausfällen zu kompensieren, leisten viele Beschäftigte Mehr- und Überstunden. Dadurch fehlt ihnen die Zeit für die notwendige Erholung. Viele Ersatzstunden, die aufgrund von Nachtdiensten zustehen würden, oder auch Urlaube können aufgrund des Personalmangels nicht in Anspruch genommen werden. 

Körperliche und psychische Be­lastungen stark an­ge­stiegen

Die Beschäftigten im Gesundheits- und Sozialbereich klagen über hohe körperlichen Belastungen bei der Arbeit. Hinzu kommen die notwendige hohe Konzentration, einseitige Beanspruchungen, zu wenige und zu kurze Pausen sowie unregelmäßige und überlange Arbeitszeiten, verbunden mit häufigem dienstlichen Einspringen für andere Kolleg:innen. Ständig Arbeit unter belastenden Arbeits- und Rahmenbedingungen zu leisten, hat Auswirkungen auf die physische und psychische Gesundheit der Beschäftigten. Die psychischen Belastungen haben in den letzten Jahren sehr stark zugenommen. Während 2016 noch 42 Prozent der Beschäftigten in der Pflege angaben, stark beziehungsweise eher stark belastet zu sein, waren dies 2023 bereits 63 Prozent. Im Vergleich: In anderen Branchen liegt dieser Anteil bei 26,5 Prozent.
 
Viele Beschäftigte im Gesundheits- und Sozialbereich leiden unter Schlafstörungen, sind erschöpft und ausgelaugt, haben Muskelverspannungen und Rückenschmerzen, hohen Blutdruck und Herzrasen, Angstzustände oder Burnout. Durch diese massiven gesundheitlichen Belastungen können sich immer weniger Beschäftigte vorstellen, ihren Beruf bis zur Pension auszuüben: 6 von 10 Beschäftigten glauben nicht daran, dass sie den Beruf bis zur Pension schaffen werden.

Forderungen der AK Ober­österreich

  • Kostendruck aus dem System nehmen
    Ein klares Bekenntnis zur Finanzierung des Gesundheits-, Pflege- und Sozialbereichs, denn die Kosten steigen mehr als die Inflationsrate. Insbesondere wenn man berücksichtigt, dass bis 1945 alleine in Hartheim rund 30.000 beeinträchtigte Menschen von den Nationalsozialisten ermordet wurden.

  • Personalberechnungsmodelle an die heutige Zeit anpassen
    Es muss auch in Zukunft für alle Menschen in Oberösterreich eine hohe Pflege- und Behandlungsqualität erhalten bleiben. Dazu braucht es zeitgemäße Personalberechnungsmodelle, welche die aktuellen Gegebenheiten in allen Bereichen und Berufsgruppen berücksichtigen. Ausfallzeiten (Krankenstände, Urlaube, Fort- und Weiterbildungen) müssen in den Personalberechnungen verbindlich berücksichtigt werden. Schwangerschaften müssen ab dem Tag der Meldung im Dienstpostenplan entsprechend berücksichtigt werden. Ein sofortiger Ersatz muss ermöglicht werden. Nur so wird es für die Beschäftigten möglich, in einem sinnstiftenden Beruf gesund das Regelpensionsalter zu erreichen.

  • Das Land OÖ muss umgehend beim Personal aufstocken
    Die bisherigen Reformschritte tragen noch zu wenig zur Entlastung der Beschäftigten bei. Die AK Oberösterreich appelliert daher erneut an die zuständigen Entscheidungsträger:innen, nächste Reformschritte zu setzen.

  • Ausbildungsoffensive ausbauen
    Um den heutigen und den künftigen Personalbedarf in der Pflege und Betreuung zu decken, braucht es in Oberösterreich rasch eine echte Ausbildungsoffensive. Das Land OÖ muss gemeinsam mit dem AMS konkrete Lösungen schaffen, um die Ausbildungssituation zu verbessern. Dazu zählen zum Beispiel attraktive Angebote für Um- und Wiedereinsteiger:innen. Wer eine Ausbildung in einem Gesundheitsberuf macht, muss sich das auch leisten können. Es braucht daher eine finanzielle Absicherung und Anstellung schon während der Ausbildung, eine Informationskampagne sowie ausreichende Ausbildungsplätze (auch berufsbegleitend, am Abend, an Wochenenden).

  • Zugang zur Schwerarbeitspension für Pflegekräfte erleichtern
    Für die meisten Pflegekräfte ist es unvorstellbar, unter den derzeitigen Arbeits- und Rahmenbedingungen bis zum gesetzlichen Pensionsalter durchzuhalten. Deshalb muss der Zugang zur Schwerarbeitspension für Pflegekräfte und Beschäftigte in weiteren Gesundheitsberufen einfacher werden.

  • Arbeitswissenschaftliche Bewertungen einführen
    Aus Sicht der AK Oberösterreich ist eine arbeitswissenschaftliche Bewertung der Tätigkeit aller Berufsgruppen und Funktionen in Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialbereichs langfristig unbedingt notwendig. Die Ergebnisse müssen sich in transparenten und gesetzlich verbindlichen Personalbemessungsmodellen abbilden, die Modelle laufend zu bewerten und an die Anforderungen anzupassen. Eine weitere wichtige Veränderung ist, die biografischen Entwicklungen und den Mehrbedarf in der Personalplanung zu berücksichtigen.

    Auf Bundesebene fordert die AK Oberösterreich, die Pflegereform fortzuführen und weitere Schritte zu setzen. Das umfasst unter anderem ein Konzept für eine zeitgemäße und verbindliche Personalberechnung inklusive Qualitätsindikatoren sowie den Ausbildungsfonds zu evaluieren und auf weitere Berufsgruppen ausdehnen sowie die Mittel dafür aufzustocken.

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Martina Rohrmanstorfer (Betriebsratsvorsitzende Lebenshilfe Oberösterreich) und Andreas Stangl (Präsident der Arbeiterkammer Oberösterreich)
Martina Rohrmanstorfer (Betriebsratsvorsitzende Lebenshilfe Oberösterreich) und Andreas Stangl (Präsident der Arbeiterkammer Oberösterreich) © Christoph Staudinger, AK OÖ


Es braucht eine zeit­gemäße Personal­berechnung, bessere Arbeits­bedingungen und faire Be­zahlung. Fehler wie beim Pflege­bonus, als auf ganze Gruppen von Be­schäftigten ver­gessen wurde, dürfen sich nicht wieder­holen.

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