„Ich habe es keine Sekunde bereut!“ Als Lehrling auf Auslandspraktikum

5 Lehrlinge aus Oberösterreich haben im Ausland wertvolle Erfahrungen gesammelt. Der AK-Report hat sie an ihren Arbeitsplätzen und zum Teil auch im benachbarten Ausland besucht. Allgemeiner Tenor: Aufregend, lehrreich, lustig und jedenfalls empfehlenswert.


Manche Betriebe ermöglichen es ihren Lehr­lingen, einige Wochen im Ausland zu verbringen, wie etwa Fronius und Grüne Erde. Der AK-Report hat fünf junge Menschen getroffen, die einen Blick über den Tellerrand des eigenen Ausbildungsbetriebs gewagt haben.

„Dobrý den“ aus Krumau

Für Daniela Doberer war es anfangs total ungewohnt, alleine in einer fremden Stadt zu sein. Im Ausland und ohne die dortige Sprache zu sprechen. Noch dazu eine Sprache, die uns völlig fremd ist: Tschechisch. Aber nach 3 Wochen hat sie immerhin ein paar Fetzen davon gelernt. „Dobrý den“ zum Beispiel, also „Guten Tag“. Im Betrieb konnten einige Kollegen Deutsch, in Geschäften und Restaurants ist sie mit Englisch gut durchgekommen. Dadurch habe sie ihre Englischkenntnisse um einiges verbessert, so die junge Frau aus Pettenbach.

"Weil´s mich interessiert"

Daniela hat im Februar ein dreiwöchiges Auslands­praktikum im malerischen Städtchen Krumau absolviert. Die 18-Jährige macht bei der Firma Fronius in ihrer Heimatgemeinde eine Lehre zur Metalltechnikerin mit dem Hauptmodul Zerspanungstechnik. Zusätzlich lernt sie Prozess- und Projektmanagement, dadurch verlängert sich die Lehre auf 4 Jahre. „Weil’s mich interessiert“ sagt die junge Frau, „und was man hat, das hat man.“

Jetzt, im dritten Lehrjahr, hat sie mit ihrem Auslandspraktikum eine besonders wertvolle Erfahrung gesammelt. Sowohl in der Firma als auch in der Freizeit. Am Anfang war sie schon nervös, ganz alleine ins Ausland zu gehen, auch wenn Krumau nur wenige Kilometer von zu Hause weg ist.
„Aber ich habe mich schnell eingelebt und mich hier schnell wohlgefühlt“, erzählt Daniela Doberer, die während der 3 Wochen in einer Pension gewohnt hat. In der Freizeit ist sie viel in der Altstadt von Krumau spazieren gegangen. „Weil es dort so schön ist und weil man immer wieder neue Ecken entdeckt“, sagt sie.

Anna Fellinger
Anna Fellinger © Christoph Staudinger, -


Im Fronius-Werk in Krumau, in dem rund 400 Menschen arbeiten, werden sämtliche Spulen, Trafos, Kabelbäume oder Schlauchpakete selber produziert, die dann in Sattledt und Pettenbach verarbeitet werden. In jedem Wechselrichter, jedem Batterieladesystem oder jedem Schweißgerät, das von Fronius produziert wird, stecke somit auch ein Stück Krumau, so Stefan Hauer, zuständig für Public Relations und Corporate Communications bei Fronius.

Es gibt für alles eine Lösung

Daniela konnte während der 3 Wochen Einblicke in alle Abteilungen des Werkes nehmen, wie etwa in die Schlosserei oder in die Instandhaltung. Beeindruckt hat sie die Arbeitsweise der tschechischen Kollegen:

Sie haben ganz andere Prozesse, andere Denkweisen und andere Herangehensweisen als wir. Davon habe ich viel gelernt. Und vor allem habe ich eines gelernt: Man soll nie aufgeben, wenn man einmal nicht mehr weiter weiß. Denn es gibt für alles eine Lösung.

Mit mehr als 160 Lehrlingen ist Fronius einer der ganz großen Ausbildungsbetriebe in Oberösterreich. Die Palette der 16 Lehrberufe reicht von elektro­technischen Berufen über Mechatronik, Informationstechnologie, Metalltechnik, Betriebslogistik bis hin zu den kaufmännischen Berufen. Knapp 90 Lehrlingen wurden in den vergangenen Jahren Auslandspraktika ermöglicht. Fronius entsendet seine Lehrlinge nur in Tochterunternehmen, seit Corona hauptsächlich im europäischen Raum. Heuer wurden und werden 13 Auslandspraktika absolviert, und zwar in Tschechien, Spanien, Deutschland, Italien, Großbritannien und Polen.

Apropos Polen: Dort war Fabian Krenmair heuer im Jänner für 2 Wochen, genau genommen in der Fronius-Filiale in Gliwice. Dort konnte er sich bei einem Praktikum ein Bild davon machen, wie bei Fronius international zusammengearbeitet wird.

Fabian Krenmair
Fabian Krenmair © Christoph Staudinger, -


Auch er gewann Einblicke in ganz andere Arbeitsbereiche. „Es ist ein ganz kleiner Betrieb mit 40 oder 50 Mitarbeitern und es gibt eigentlich nur den Vertrieb und ein Repair-Center“, erzählt der Mechatroniker, der erst vor ein paar Tagen erfolgreich seine Lehrabschlussprüfung gemacht hat und jetzt fix in der Entwicklung übernommen wurde.

Während seines Praktikums hat auch der 20-Jährige seine Englischkenntnisse stark verbessert. Nicht nur deswegen sagt er voller Überzeugung: „Ich kann es jedem Lehrling nur empfehlen, ein Auslandspraktikum zu machen. Das wird dich weiterbringen und deinen Horizont erweitern.“

Sprache, Zeit­umstellung und Linksverkehr

Das tat auch Anna Fellinger. Die Bürokauffrau war im April 2019 für 4 Wochen im australischen Melbourne. „Das war sehr aufregend“, sagt sie, „ich war zum ersten Mal ganz alleine unterwegs und dann gleich so weit weg.“ Mit der Anreise hatte sie schon die erste ganz große Hürde übersprungen. Blieben noch die Sprache, die Zeitumstellung und der Linksverkehr. „Aber ich habe mich schnell darauf eingestellt“, berichtet die 27-Jährige. 


Geholfen haben ihr dabei ein paar österreichische Fronius-Kollegen, die zu der Zeit in Australien gearbeitet hatten. Und auch die Menschen in der Stadt haben es ihr leicht gemacht, sich am anderen Ende der Welt rasch wohlzufühlen. „Wenn ich mich wo nicht ausgekannt habe, hat mir immer gleich wer geholfen“, erzählt Anna.

Arbeit bei Grüne Erde
Arbeit bei Grüne Erde © Christoph Staudinger, -


Die Arbeit selbst war ähnlich wie zuhause: „Es ist zwar alles viel kleiner und noch familiärer als in der Zentrale in Sattledt. Aber die Prozesse und Arbeitsabläufe sind wie bei uns“, sagt Anna Fellinger.

Anders als Fronius schickt die Grüne Erde ihre Lehrlinge nicht in eigene Betriebe, weil es die gar nicht gibt, sondern in Partnerbetriebe, die vom Verein IFA, kurz für Internationaler Fachkräfteaustausch, gesucht und gefunden werden. IFA organisiert  seit 1995 den internationalen Lehrlingsaustausch.

Rundum-Paket wie aus dem Reise­katalog

Dabei gibt es 2 Wege: Für Unternehmen wie Fronius, die die Praktika selber abwickeln, wird nur die Förderung beziehungsweise die Finanzierung der Praktika organisiert. Der andere Weg, den zum Beispiel die Grüne Erde geht, ist ein Rundum-Paket. Die Firmen und ihre Lehrlinge suchen sich, wie in einem Reisekatalog, eine Destination aus. Die Lehrlinge bewerben sich und bekommen im Idealfall eine Zusage. Der Verein IFA sucht dann Partnerbetriebe für die Praktikumsplätze, Gastfamilien als Unterkunft für die Lehrlinge und schnitzt ein kulturelles Rahmenprogramm.

Eine wesentliche Voraus­setzung dafür, dass ein Auslandspraktikum gelingt und wirklich zur wertvollen Erfahrung für die Lehrlinge wird, ist die Situation im Betrieb. Der Verein IFA achtet daher genau darauf, dass dort zumindest Englisch gesprochen wird, dass Wert auf die Arbeitssicherheit gelegt wird und dass die Arbeitszeiten mit den in Österreich geltenden Gesetzen konform gehen.

Heuer werden rund 400 Auslandspraktika organisiert. Vor Corona waren es mehr,  aber die Tendenz ist jetzt wieder steigend. Alles in allem hat der Verein IFA schon für etwa 10.000 Lehrlinge aus ganz Österreich Auslandspraktika gemanagt.

Auch Anna-Maria Keferböck hat von IFA profitiert. Die junge Frau aus Freistadt war nach der HAK-Matura vor der Frage „Studium oder Arbeit?“ gestanden. In einer Bank oder im Büro wollte sie nicht landen, und technisch affin war sie schon immer. Darum wollte sie unbedingt etwas Handwerkliches machen und suchte nach einem abwechslungsreichen technischen Beruf. Bei ihren Recherchen stieß sie auf die Grüne Erde in Scharnstein, ein Betrieb, den sie schon lange kannte. Auf der Homepage war dort gerade eine Lehrstelle ausgeschrieben, auf die sich Anna-Maria prompt bewarb. Und tatsächlich startete sie kurz darauf eine Lehre zur Polsterin.

Mit Sack und Pack ins Almtal

Die knapp 100 Kilometer von Freistadt nach Scharnstein zu pendeln, war für sie keine Option. Daher zog sie mit Sack und Pack ins Almtal. Kein Problem für sie, weil ihre alten Schulfreundinnen auch weg gegangen sind, zum Studieren nach Wien oder Salzburg. „Ich bin halt einen anderen Weg gegangen und in die andere Richtung gezogen“, sagt Anna-Maria Keferböck mit einem Schmunzeln auf den Lippen. In ihrem Auslandspraktikum kam es ihr später zugute, dass sie mit 20 Jahren von daheim weggezogen ist: „Ich bin schon auf eigenen Beinen gestanden und hab mich im Ausland schnell zurecht gefunden“, sagt die 24-Jährige.

Schon ein Jahr vor ihrem Praktikum hatte sie eine fixe Zusage, nach Dänemark zu gehen. Corona machte diesen Plan zunichte. Also schloss sie zuerst die Lehre ab und holte dann doch noch ihren Auslandsaufenthalt nach, und zwar im deutschen Freiburg, bei einem kleinen Raumausstatter mit 5 Beschäftigten. 
Ich war dort viel auf Montage unterwegs, habe Vorhangenstangen montiert, Vorhänge aufgehängt, Böden rausgerissen, Polstermöbel, Stühle und Sofas zusammengebaut. Außerdem hatte ich, anders als daheim, viel Kundenkontakt und war bei Beratungsgesprächen dabei. Das hat mir beruflich sehr viel gebracht“, erzählt Anna-Maria Keferböck, die gemeinsam mit 2 Elektrotechnikerinnen, die ebenfalls auf Auslandspraktikum in Freiburg waren, während der 4 Wochen im Ausland in einer WG gelebt hat. „Auch das war eine spannende Erfahrung“, sagt Anna-Maria.

Genau das ist es, was die Grüne Erde ihren Lehrlingen ermöglichen möchte: Sie sollen in den Auslandspraktika neue Erfahrungen sammeln, über den Tellerrand des eigenen Unternehmens hinausblicken und so ihre Potenziale weiterentwickeln. Das Unternehmen bildet in Oberösterreich und in der Tischlerei in Kärnten derzeit 21 Lehrlinge aus, und zwar in 6 verschiedenen Berufen. Bisher waren 9 Lehrlinge im Ausland, vorwiegend in Tschechien, Deutschland und Italien – allesamt Destinationen, die man klimaschonend mit dem Zug erreichen kann.

Zum ersten Mal ohne die Eltern unter­wegs

Wie zum Beispiel die oberitalienische Stadt Vicenza, die man von Linz aus mit dem Zug in knapp 8 Stunden erreicht. Ronja Dobrezberger aus Eberstalzell hat dort im März ihr Auslandspraktikum absolviert. Sie war 4 Wochen lang dort und zum ersten Mal überhaupt ohne ihre Eltern unterwegs, gemeinsam mit 7 anderen Lehrlingen aus anderen Betrieben und Berufen. Begleitet wurden sie von Jolanda Kernstock vom Verein IFA, die ihnen während der ersten Woche mit Rat und Tat zur Seite stand. Danach waren die jungen Erwachsenen auf sich selbst gestellt.

Untergebracht war Ronja bei einer Gastfamilie, die selber im Obergeschoss ihres Hauses wohnt und im Erdgeschoss die Praktikantinnen unterbringt. Insgesamt haben dort 6 Mädels gewohnt, zwischendurch sogar acht. Ronja teilte sich ihr Zimmer mit einer jungen Frau aus Deutschland. Selber kochen und Wäsche machen war eine Umstellung im Vergleich zum Leben zuhause.

Crash-Kurs in Italienisch

Anfangs standen ein Crash-Kurs in Italienisch und ein Vorstellungsgespräch im Betrieb auf dem Programm. Ihr eigentliches Praktikum hat Ronja Dobrezberger dann in einer traditionsreichen Tischlerei in Bassano del Grappa gemacht, rund 40 Kilometer außerhalb von Vicenza. Dort werden italienische Designermöbel hergestellt.

Die Kolleginnen und Kollegen im Betrieb konnten alle ganz gut Englisch, daher war Ronja nicht auf ihre gerade neu erworbenen Italienischkenntnisse angewiesen, um sich gut verständigen zu können. In den 3 Wochen hat die 18-Jährige, die bei der Grünen Erde zur E-Commerce-Kauffrau ausgebildet wird, viele neue Eindrücke gewonnen. Sie hat im Praktikum den Webshop der Firma überprüft, alles auf Deutsch durchgelesen und Fehler korrigiert. Außerdem hat sie mit einer Kollegin SEO Kampagnen oder Google Ads erstellt.

Das einzige Manko war der relativ lange Weg zur Arbeit. „Das war ein bisschen anstrengend, aber ansonsten war das Praktikum echt interessant“, berichtet Ronja. An den Wochenenden waren die Praktikantinnen immer viel unterwegs, zum Beispiel in Venedig, Padua, Verona oder Mailand. „Wir haben viel gesehen und ich hab definitiv sehr viel über die Kultur gelernt. Ich würde jederzeit wieder ein Auslandspraktikum machen“, sagt Ronja.

Das würden auch die anderen. Denn profitiert haben sie alle von ihren Auslandspraktika: Anna, Fabian, Anna-Maria, Ronja und Daniela. Letztere macht anderen Mut: „Man muss sich trauen und offen sein. Es ist lehrreich und lustig. Ich habe es keine Sekunde bereut.

"Man muss sich trauen und offen für Neues sein. Ich habe keine Sekunde bereut, es gewagt zu haben" Daniela Doberer, Lehrling bei Fronius

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